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Eintrag vom 7. Mai 2017

Damit meine Leser mal wieder mitbekommen, was ich zwischen meinen einzelnen Blogeinträgen mit und für die Piraten so mache, schiebe ich hier einen kurzen Zwischenbericht vom gestrigen Tag ein. Er begann um halb neun in Schwabmünchen, wo ich mich mit drei weiteren Mitstreitern mit einem Infostand platziert und Unterstützerunterschriften für die in diesem Jahr anstehende Bundestagswahl gesammelt habe. Dies ist notwendig geworden, da die Piraten mittlerweile aus zwei Landesparlamenten abgewählt wurden, so dass wir das Interesse der Bürger an einer Kandidatur der Piratenpartei nachweisen müssen. An dieser Stelle gleich ein Mal ein herzliches Dankeschön an all die Passanten, die uns gestern den Unterstützungsbogen ausgefüllt haben.
Um 12:15 Uhr hieß es dann, den Stand zusammenzupacken und nach Augsburg zum diesjährigen "Global Marijuana March" am Königsplatz zu fahren, wo unser Bezirksabgeordneter Fritz Effenberger die Veranstaltung moderiert hat. Dort haben wir uns dann bis ca. 17:00 Uhr den Fragen und Anregungen der Teilnehmer sowie der Augsburger Passanten gestellt.

 

Wir haben diese Veranstaltung ja bereits in der Vergangenheit unterstützt und an unserer Drogenpolitik hat sich nicht wirklich etwas geändert. Keine andere Partei setzt sich so für eine Dekriminalisierung von Drogensüchtigen ein wie die Piraten. Denn anders lässt sich unserer Meinung nach weder die dahinterstehende organisierte Kriminalität bekämpfen noch eine effektive Präventionsarbeit aufbauen.
Die anderen bei der Veranstaltung teilnehmenden Parteien waren überwiegend durch ihre Jugendorganisationen vertreten, während sich die der Hauptpartei zugehörigen Redner in einem Eiertanz zwischen dem Thema der Veranstaltung und der eigenen politischen Ausrichtung versuchten. Vertreter der CSU fehlten erwartungsgemäß komplett - ich vermute mal sie hatten das schöne Wetter genutzt um auf dem verlängerten "Osterplärrer" noch einige Maß einer in Deutschland legalisierten und in Bayern zum Grundnahrungsmittel erklärten Volksdroge zu vernichten...
In unseren Diskussionen mit den Passanten drehte es sich gar nicht so sehr um die Drogenpolitik. Die Legalisierung von Cannabis zu medizinischen Zwecken ist ja mittlerweile der erste, allerdings noch viel zu bürokratische Schritt in die richtige Richtung und Dank der ausführlichen Berichterstattung in den Medien auch den meisten Leuten bereits bekannt.

Statt dessen drehten sich viele Fragen um uns Piraten, warum wir nicht mehr in den Medien präsent seien und ob es uns denn wirklich noch gäbe. Wir haben die Zusammenhänge der medialen Berichterstattung erklärt und viele Missverständnisse aufgeklärt. So wurden wir tatsächlich gefragt ob wir immer noch eine rechtsradikale Partei seien - zur Erinnerung, die Diskussion schwappte 2009/2010 hoch, als ehemalige Mitglieder der NPD in die Partei eintraten und es tatsächlich Bestrebungen gab, die Piraten zu kapern. Bei uns bissen diese Leute auf Granit - nun, sie haben ja jetzt eine "Alternative" für ihre nationalvölkischen Bestrebungen gefunden...
Die meisten Fragen, die mir gestellt wurden, drehten sich allerdings um die Flüchtlingspolitik. Und das nahm bisweilen leicht bizarre Züge an.

Viele Leute (und nicht nur die zur Veranstaltung gekommenen Teilnehmer) zeigten sich sehr aufgeschlossen und verständnisvoll für die in unserem Land Schutz suchenden Asylanten. Gerade in Augsburg als Stadt mit einem relativ hohen Migrantenanteil ist man hier sehr weltoffen, was vermutlich aus den Kontakten zu den "fremden" Menschen resultiert - wie ich schon einmal ausgeführt hatte kann man nur vor etwas Angst haben, dass man nicht kennt. Die meisten deutschstämmigen Gesprächspartner, gleich welchen Alters, haben sich hier auch aus eigenen Erfahrungen sehr positiv geäußert, ohne jedoch die Differenzierung zu vergessen.
Im Gegensatz dazu hatte ich eine Diskussion mit einem türkischstämmigen Paar fortgeschrittenen Alters, bei dem sich vor allem der Mann durchwegs negativ über die Flüchtlinge äußerte: die altbekannten Clichees über die Asylanten, die zu uns kommen und alles bekommen würden, während die Deutschen, die vierzig Jahre lang gearbeitet hätten, arbeitslos und dann viel weniger bekommen würden - im weiteren Verlauf unseres Gesprächs kam heraus, dass er damit wohl hauptsächlich sich(?) meinte. Die Parteien in Deutschland müssten wieder Politik für ihre eigenen Bürger machen und nicht gegen sie. Und im übrigen setze er große Hoffnungen auf die Wahl von Le Pen in Frankreich, dann würde sich in Europa einiges ändern. Gegen diese ganzen Ausländer ("die sitzen hier alle herum, sehe Sie, und trinken Kaffee!") muss man etwas unternehmen und in der Türkei säßen schließlich weitere 800.000 Flüchtlinge auf gepackten Koffern, die alle noch nach Deutschland kommen wollten. Seine etwas jüngere Frau, die sich vor den ganzen Terroristen fürchtete, war da ganz seiner Meinung.
Ich schätze, dass ich nicht wirklich mit meinen Argumenten bei diesem Paar durchgedrungen bin. Das ich als Flüchtlingshelfer weiß dass die Asylunterstützung deutlich unterhalb des Harz-IV-Regelsatzes liegt, dass kaum ein Asylsuchender nach Deutschland kommt um mit vier oder mehr anderen wildfremden Menschen in einem 15 qm großen Zimmer (oder zu hunderten in einer Traglufthalle) untergebracht zu werden, dass es unsere Pflicht ist diesen Menschen zu helfen - das alles war für ihn nicht von belang. Ich habe mir deswegen die Frage verkniffen, ob und wie er vor kurzem beim türkischen Referendum abgestimmt hat, sondern darauf hingewiesen dass ich mir statt um ein paar hunderttausend Syrer mehr um 30 bis 40 Millionen türkische Staatsbürger Sorgen mache, die wegen Herrn Erdogan bald ebenfalls bei uns Asyl beantragen könnten.
Aber das war ja nicht das wirkliche Problem, dass dieser Mann hatte. Im Grunde genommen hatte er doch nur vor einem Angst: dass es ihm schlechter gehen könnte und dass ihm Zuwendungen entgehen könnten, weil sie an andere Leute verteilt werden.
Und diese Angst, zu kurz kommen zu können, ist möglicherweise sogar der Hauptgrund für all diejehnigen, die so vehement gegen die Aufnahme von Flüchtlingen sind. Es dreht sich alles um andere Menschen, und man selbst fürchtet abgehängt zu werden und in Vergessenheit zu geraten. Das bestätigt sich für mich, wenn ich mir die allgemeine Entwicklung in Deutschland zum Thema "Ausländer" so ansehe.
Früher haben die "Westdeutschen" der Bundesrepublik über die "Ostdeutschen" der DDR negativ geredet. Dann hatten wir die Brandanschläge Ende der 1990er-Jahre gegen die Ausländer und Flüchtlinge aus Osteuropa und Asien. Heute sind es die Asylbewerber aus dem mittleren Osten, die Ziel der Ablehnung sind. Und eines der "Hauptargumente" gegen all diese Menschen war damals und ist heute die angeblich daraus entstehende, finanzielle Belastung für unser Land.

Wisst Ihr, der gute Mann hat ja durchaus Recht damit dass wir hier in Deutschland etwas ändern müssen. Aber das Problem sind doch nicht die Flüchtlinge. Solange wir als "systemrelevant" erklärte Bankenhäuser mit Milliardenbeträgen weiterhin das wilde Spekulieren ermöglichen, solange wir für Prestigebauten das doppelte und dreifache der kalkulierten Kosten locker machen, solange wir vollkommen überteuerte Rüstungsprojekte finanzieren können - solange werden wir es uns auch leisten können, schutzsuchenden Menschen anderer Länder hier die Möglichkeit zu geben sich eine neue Existenz aufzubauen.
Und solange wir in schönster Regelmäßigkeit immer wieder den gleichen unfähigen Napfnasen unsere Stimme zu geben, obwohl sie mit jeder weiteren Legislaturperiode ihre eigene Inkompetenz wieder und wieder bewiesen haben, so lange wird sich auch nichts an der Verteilungspraxis der Finanzmittel ändern. Da bringt es auch gar nichts, irgendwelche Querulanten zu wählen, um "die da oben" mal so richtig zu "ärgern".
 
Also, wenn alle unzufrieden sind aber dennoch ihre Möglichkeiten nicht wahrnehmen, um die Dinge zu verändern - was soll dann die Aufregung?

Während wir heute Abend dem Ergebnis der Abstimmungen in Frankreich und Schleswig-Holstein entgegenfiebern möchte ich meinen Lesern zum Abschluss noch - quasi zur Abwechslung - den Youtube-Kanal von Faris Alshater empfehlen. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse mögen für manchen vielleicht etwas überraschend sein, können aber vielleicht helfen den Blickwinkel zu verändern und die Dinge mal von einer anderen Seite aus zu betrachten - abseits der üblichen Berichterstattung und Panikmache.

Vielleicht bewirkt das bei dem ein oder anderen Menschen hier in Deutschland ja, einmal über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen.
 
Und danach: Nachzudenken.

"Denken ist der Beginn einer Veränderung."

Manfred Hinrich