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Eintrag vom 8. Mai 2016

Drogenpolitik ist in Deutschland ein Reizthema. Schließlich war die gängige politische Sichtweise, dass es bei uns keine Drogen geben darf. Drogen sind gesundheitsschädlich, führen in die Kriminalität (oder begüstigen zumindest kriminelle Handlungen), gefährden die öffentliche Ordnung und gehören deswegen verboten. Wer Drogen konsumiert, muss also mit polizeilichen Ermittlungen und - gemessen an manchem Drogenfund - mit drakonischen Maßnahmen rechnen.
Bestenfalls wird die Einnahme solcher Substanzen aus medizinischen Gründen geduldet. So finden Opiate schon seit langem Verwendung als schmerzstillende Mittel und nun soll auch - nach langem Kampf - Medizinalhanf (also Cannabis als Schmerzmittel) endlich offiziell als ein solches anerkannt werden.
Diese Wirkung von Cannabis, welche in einigen Krankheitsfällen das viel gefährlichere Opium bei geringeren gesundheitlichen Risiken sogar übertrifft, ist zwar altbekannt, dennoch weigerten sich die Krankenkassen bislang die dafür entstehenden Kosten zu übernehmen. Da es sich aber kaum ein Schmerzpatient leisten kann, die über 1.000 Euro pro Monat oder mehr aus eigener Tasche zu zahlen, waren viele der Betroffenen dazu gezwungen, selbst bei sich zu Hause illegal Cannabis anzubauen. Mit der Konsequenz polizeilicher Ermittlungen und Strafverfolgung, die in besonders schlimmen Fällen sogar tödlich enden kann.

Ironischerweise ist der Konsum psychedelisch, berauschend oder enthemmend wirkender Stoffe in Deutschland durchaus legal - solange der Staat daran über die Besteuerung mitverdient. So lassen die aktuellen Daten der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen e.V. keinen Zweifel daran aufkommen, dass Alkohol und Zigaretten die wahren Killer unter den Drogen in unserer Gesellschaft sind. Höhepunkt des in manchen Bundesländern als Brauchtum verklärten Massenkonsums einer als "Grundnahrungsmittel" verharmlosten, flüssigen Droge ist das jährlich zelebrierte Massenbesäufnis in der Landeshauptstadt des "Freistaats Bayern". Die Leute von der Stadtreinigung, die nach dem zweiwöchigen Gelage aufräumen müssen, finden diese Veranstaltung sicherlich unglaublich toll...
Angesichts der mit dem gesellschaftlich und staatlich tolerierten Missbrauch von Alkohol zusammenhängenden Begleiterscheinungen mit jährlich 74.000 Todesfällen, zzgl. den fast 110.000 Toten durch Tabakkonsum pro Jahr, nehmen sich die Folgen des Cannabiskonsums geradezu lächerlich aus.

Der Wunsch nach Zerstreuung, auch mit Hilfe von eingenommenen Substanzen, hat die Menschheit seit ihrer Entstehung begleitet. Schon immer gab es akzeptierte - ja sogar geachtete - wie auch geächtete Drogen in den Gesellschaftformen der Zeit. Nach welchen Kriterien die Auswahl erfolgte, hatte meist wenig mit rationalen Gründen zu tun. Dies lässt den Schluss zu, dass der Übergang zwischen Genuss- und Suchtmittel schon immer fließend war. Was bedeutet, dass es nicht auf den "Stoff" ankommt - sondern auf den Umgang des Konsumenten.
Viele meiner Leser werden während des vorangegangenen Absatzes zum Thema Bierkonsum in Bayern ihre innere Entrüstung nur schwer im Zaum gehalten haben. Wer Abends mal ein Bier trinkt oder ein Glas Wein, oder am Geburtstag mit einem Sektglas anstößt, der ist doch kein Drogenkonsument? Oder wer mal eine Zigarette oder eine Pfeife anzündet - der soll schon süchtig sein? Nein, natürlich nicht! Wer Genussmittel als solche konsumiert, ist kein Süchtiger. Warum aber gibt es dann Alkohol- und Nikotinsucht genauso wie die Sucht nach sog. illegalen Drogen?

Es ist kein Geheimnis, dass der Grund in der Art des Konsums liegt. Sobald ein Genussmittel konsumiert wird, um sich gedanklich seiner tagtäglichen Probleme für eine gewisse Zeit zu entledigen und man dieses Genussmittel zu diesem Zweck auch regelmässig einnimmt, beginnt das Problem der Sucht. Die körperlichen Entzugserscheinungen mal bei Seite gelassen ist ein Suchtverhalten also primär psychologisch bedingt. Aus diesem Grund kann man praktisch nach allem süchtig werden. Es würde so manchen sehr überraschen zu erfahren, wieviele Menschen allein in unserem Land zuckersüchtig sind! Sobald die Einnahme eines Stoffes dazu dient, ein Wohlbefinden durch das Ausschütten von Glückshormonen hervorzurufen und diese durch eben diese Einnahme gezielt stimuliert werden sollen, ist eine Suchtgefahr gegeben. In einigen Fällen muss man dazu nicht einmal irgendwelche Substanzen konsumieren, man kann auch süchtig nach Durchführung bestimmter "Praktiken" werden.
Die Unterteilung zwischen legalen und illegalen Drogen ist also nur aus rein wirtschaftlich-steuerlichen Gesichtspunkten relevant. Unter der Prämisse, dass Suchtkranken in unserer Gesellschaft unabhängig von ihrem Suchtmittel geholfen werden müsste, ist die Dämonisierung einzelner Stoffe sogar schädlich, da durch die Kriminalisierung ihrer Konsumenten ein realer Umgang mit der spezifischen Droge verhindert wird. Schlimmstenfalls wird gerade aus dem Label der Illegalität ein besonderes Bedürfnis bei Jugendlichen bewirkt, das Zeug einfach mal selber auszuprobieren.
Das beste Beispiel dafür sind die sog. "Legal Highs", künstlich in Labors zusammengestellte oder modifizierte, psychoaktiv wirkende Stoffe. Wer sich solches Zeug einwirft spielt im wahrsten Sinne des Wortes "russisches Roulette" weil nicht mal der Hersteller genau sagen kann, was seine Pillen eigendlich bewirken. Entstanden sind diese, dem Gesetz nach übrigens nicht illegale Mittelchen, aus dem Verbot anderer Stoffe mit mittlerweile bekannter Wirkung - quasi Marktwirtschaft in Reinform. Sobald ein Stoff davon verboten wird, ändern die Labore die Zusammensetzung und bieten den neuen Stoff wieder legal an.

Durchbrechen kann man diesen Teufelskreis nur durch gesellschaftliche Aufklärung und Suchtprävention - eine Forderung, die schon seit langem erhoben und auch von uns Piraten vertreten wird. Wir müssen weg von der willkürlichen Kriminalisierung der Konsumenten einzelner, als illegal erklärter Genussmittel. Es gitl vielmehr, vorurteilsfrei über Wirkung und Auswirkung der einzelnen Stoffe aufzuklären und Suchtkranken Hilfe anzubieten, die sie auch tatsächlich annehmen können.
Aus diesem Grund unterstützen wir Piraten Aktionen wie den gestrigen, vom Deutschen Hanfverband ausgerichteten Global Marijuana March als Informations- und Aufklärungsveranstaltung. Auch ich - der noch nie in seinem Leben Gras geraucht hat und es auch nach einer Legalisierung von Cannabis nicht tun werde - befürworte die Freigabe von Hanf als Genussmittel.

 

Ziemlich unspektakuläre Bilder, nicht wahr? So mancher hat sich vermutlich vorgestellt, dass sich da in Augsburg (und anderswo) ein Haufen wilder Hippies kiffend um den Königsplatz versammeln würden. Vielleicht haben das auch die Polizeibeamten gedacht, die aus ihrem Einsatzwagen heraus die Kundgebung beobachtet hatten. Sie wurden jedenfalls ziemlich enttäuscht. Statt dessen gab es Redebeiträge von Aktivisten, Betroffenen und Mitgliedern politischer Parteien. Dazwischen wurde auch Musik gespielt, unter anderem auch Live wie z.B. von der Gruppe Mandara, die ich wirklich sehr empfehlen kann.

 

Die politische Motivation, sich für die Legalisierung von Cannabis als Genussmittel einzusetzen, ist hierbei natürlich unterschiedlicher Art gewesen. Der Redner der FDP konzentrierte sich erwartungsgemäß auf die wirtschaftlichen Aspekte, die Sprecherin der GRÜNEN betonte Eingangs ihr "50 Prozent aus Hanf hergestelltes T-Shirt". Wir Piraten sehen die Angelegenheit eher aus dem Blickwinkel der Freiheits- und Bürgerrechte: die oben bereits ausgeführte Ungleichbehandlung von Konsumenten und deren durch die Kriminalisierung eingeschränkte Selbstbestimmung.
Sogar die SPD hatte sich mit einem Pavillon dazugesellt - ich hab jetzt aber irgendwie nicht mitbekommen warum die für Cannabis sind... vielleicht wollten die einfach auch nur mal mit dabeisein, oder sie sind auf der Suche nach einem guten Hilfsmittel gegen ihre chronischen "Bauchschmerzen"?

Auf alle Fälle würde ich mich freuen, wenn wir nach so langer Zeit fehlgeleiteter Drogenpolitik in Deutschland die Diskussion über den Umgang mit Genussmitteln und dem Zusammenhang mit Suchterscheibungen endlich versachlichen könnten. Wi mit allen Themen fängt es hier bei der Information an (wer kennt zum Beispiel den Unterschied zwischen Haschisch und Marijuana?) und hört beim Hinterfragen angeblich feststehender Gewissheiten ("Haschisch rauchen ist der Einstieg für jede Drogenkarriere!") auf.

Wer sich darauf einlassen möchte, sich jedoch nicht zu diesen "langhaarigen Kiffer-Spinnern" an den Infostand traut, dem sei zum Anfang nochmals das zwar schon ältere, jedoch sehr gut geschriebene und informative Buch Weltmacht Droge empfohlen, dass es sicher noch in dem einen oder anderen Antiquariat zu kaufen gibt.
 
Vielleicht sollte sich auch der ein oder andere Bundestagsabgeordnete mal dieses Buch zu Gemüte führen. Wenn sie dazu noch in der Lage sind...?

"Auf der Toilette des Bundestages wurden Kokainspuren gefunden. Kann ich mir ehrlich gesagt nicht vorstellen. Kokain soll ja - zumindest kurzzeitig - die Leistung steigern! Davon hätten wir doch sicher was mitbekommen!!"

Wolfgang Mocker