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Eintrag vom 5. Januar 2018

Meinen Twitter-Account hattte ich mir vor einigen Jahren eingerichtet, allerdings ohne ihn aktiv zu nutzen. Ich habe hin und wieder einige Meldungen gelesen, das Hauptaugenmerk war allerdings mehr darauf gerichtet mir selbst ein Bild von der Nutzung solcher "sozialer Netzwerke" zu verschaffen. Ich muss allerdings gestehen dass das gesamte Ausmaß der "Ergüsse", die dort von manchen Zeitgenossen abgesondert werden, sich mir erst jetzt offenbart seit ich mich selber aktiv mit dem Absetzen der ersten Tweets beteilige.
Allerdings hätte ich, auch ohne selber "mitzuzwitschern", wohl kaum die geistigen Ausfälle einer Frau von Storch übersehen können. Dafür hat sie ja mit präziser Empörungskalkulation selbst gesorgt, indem sie Neujahrgrüße der nordrheinwestfälischen Polizei für eine Trirade gegen Flüchtlinge und Ausländer nutzte, welche sie als "barbarische, frauenvergewaltigende Männerhorden" bezeichnete worauf ihr Facebook- und Twitteraccount zeitweise gesperrt wurde.

Nun ist es ja nichts Neues dass sich Mitglieder, Abgeordnete und Funktionäre dieser Partei im Ton vergeifern vergreifen - ich habe allein in den letzten zwei Wochen Twittereinträge von Mitgliedern verschiedener Landtage sowie des Bundestages lesen müssen, die nicht weniger ekelerregend und rassistisch waren... das waren alles selbstbekennende Christen, ehemalige Richter, Offiziere a.D., vor allem aber selbsternannte "Erneuerer" unseres Landes. Übel, wirklich übel - vor allem weil sich so zeigt aus welchen eigentlich gehobenen Bevölkerungsschichten unseres Landes diese national-radikalen "Toitschen" stammen.
Gut möglich daß ihre Tweets in Kürze ebenfalls gelöscht und ihre Nutzerkonten gesperrt werden, denn seit Anfang dieses Jahres gilt das von Herrn Maas initiierte "Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken" (kurz: Netzwerkdurchsetzungsgesetz oder NetzDG) mit dessen Hilfe dafür gesorgt werden soll dass in den "sozialen Netzwerken" Hetze und Hasspostings besser verfolgt und geahndet werden. Mit diesem Gesetz sollen Betreiber solcher Plattformen wie Twitter oder Facebook dazu gezwungen werden ihnen gemeldete, strafbare Inhalte in einem Zeitraum von 24 Stunden zu löschen. Kommen sie dieser Pflicht nicht nach, können hohe Bußgelder verhängt werden.

Eben dieses Gesetz wurde nun von Frau von Storch (und im sofortigen Nachgang von Frau Weidel) von der AfD zu eigenen propagandistischen Zwecken instrumentalisiert. Die Prüfung ob ein Eintrag oder Tweet tatsächlich gegen geltendes (deutsches) Recht verstößt kann bei der Menge der täglich anfallen Beiträge durch die Betreiber nämlich nicht mit der gebührenden Sorgfalt geprüft werden. Twitter hat durch eine Neustrukturierung seines Meldesystems versucht, diese Prüfung auf seine Nutzer abzuwälzen, Facebook stellt dem User einfach einen Auswahlknopf mit der Aufschrift "Hassrede" zur Verfügung. So oder so gilt bei den Anbietern jedoch das einfache Prinzip: "Lieber zuviel gelöscht als zu wenig!". Denn für irrtümlich entfernte Einträge droht vom Gesetzgeber keine Strafe.
Das ein solches Vorgehen unweigerlich Kollateralschäden erzeugt, davor haben wir Piraten bereits mehrfach vor und auch nach dem Beschluss des Gesetzestextes gewarnt. Die Bestätigung folgte keine 24 Stunden nach der Sperrung des Neujahrs-Tweets von Frau von Storch: Als das Satiremagazin "Titanic" die Hetzparole der AfD-Politikern aufnahm und in einem eigenen Eintrag persiflierte wurde dieser sofort danach ebenfalls entfernt.

Frau von Storch konnte sich dank des NetzDG erneut als "Opfer" von Zensur-Bestrebungen der Regierung inszenieren, was von den Fans der AfD auf Twitter und Facebook ausgiebig beklatscht wurde. Noch mehr dürfte sie sich über das Echo der Printmedien und des Rundfunks gefreut haben, welche sich sofort auf das Thema stürzten und so zu einer zusätzlichen Verbreitung beitrugen. In dem Windschatten der moralischen Entrüstung ("das wird man ja noch sagen dürfen!") fordern einige AfD-Groupies bereits lautstart die Abschaffung weiterer "Zensur"-Gesetze wie zum Beispiel des Paragraphen StGB 130.
Ob sich Frau von Storch bereits bei ihrem Steigbügelhalter von der SPD bedankt hat, ist indes nicht bekannt. Dort hat man (via Twitter) allerdings schon verkündet, "energisch gegen jeden Hass im Internet vorgehen und entsprechende Einträge sofort melden zu wollen " und beweist damit eindrucksvoll das man weder das Prinzip des Internets verstanden noch aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt hat.
Die Übertragung der Zuständigkeit von Sperrmaßnahmen an Dritte stellt eine Aufweichung des Exekutiv-Prinzips unseres Rechtsstaats dar. Private Unternehmen durch Androhung von Bußgeldern zur Löschung von möglicherweise strafrechtlich relevanten Einträgen zu zwingen führt unweigerlich zu Fehlern bei der Bewertung und Berarbeitung. Hierbei sind Auswirkungen auf GG Art.5 Absatz 1 (Recht auf freie Meinungsäußerung) nicht zu vermeiden - was das NetzDG nicht nur ad adsurbum führt, sondern darüberhinaus zu einer Gefahr für unsere Grundrechte und die freie Berichterstattung der Presse macht!

Um gegen Hetze, Verleumdung und Hass im Internet vorzugehen bedurfte es keines neuen Gesetzes. Absatz 2 des Artikels 5 unseres Grundgesetzes verweist nämlich explizit auf die Grenzen zwischen freier Meinungsäußerung und strafbarer Volksverhetzung. Entgegen der allgemeinen Behauptungen ist das Internet mitnichten ein "rechtsfreier Raum", es gelten die gleichen Regeln und Gesetze wie im "Real Life". Hinter jedem angemeldeten Nutzer in einem sozialen Netzwerk steht eine Registrierung die es den Strafverfolgungsbehörden ermöglicht, Nachforschungen anzustellen um die Identität des Autors zu ermitteln und ihn danach einer regulären Gerichtsbarkeit zu überstellen!
Das macht allerdings Arbeit, und die Politik der vergangenen Jahrzehnte hat die Personaldecke bei den Polizeibehörden kaputtgespart. Nun soll also eine Automatisierung der Fahndungsarbeit, verbunden mit der Einbindung externer "Diensteanbieter", die fehlende Qualifikation und Manpower ausgleichen - mit der absehbaren Folge daß dies nicht funktionieren wird und den zusätzlichen, unabsehbaren Folgen für unser Rechtssystem als solches. Denn die Betreiber der "sozialen Netzwerke" werden den eigenen Aufwand bei der Beurteilung von Tweets und Beiträgen aus Kostengründen so weit wie möglich reduzieren - und dies durch entsprechende Algorithmen automatisiert durchführen lassen. Bald entscheiden Computer darüber, ob ein Eintrag eine rechtskonforme Meinungsäußerung ist oder eine Hassrede darstellt - ohne Prinzipien wie Satire, das Anführen von Beispielen oder die Intention des Autors selbst richtig interpretieren zu können. Das "Internet von Morgen" wird ein sauberer - vor allem aber: kritikloser - Ort des Konsums sein.

Was aber nutzt uns ein "Kindernet" der schönen neuen, heilen Welt - solange es in der Wirklichkeit nicht besser ist? Hass, Hetze, Ausländerfeindlichkeit - das alles gibt es auch in unserem Alltag, und nicht immer sind es so plumpe Wortauswürfe wie von den einschlägig bekannten, besorgten Bürgern. Im Kampf um Wählerstimmen sind es gerne die sog. "Volksparteien", die beim Fischen am "rechten Rand" einschlägige Resentiments bedienen und sich an der allgemeinen Stimmungsmache beteiligen.

Kann mir mal einer erklären wie uns das Netzwerkdurchsetzungsgesetz vor so etwas schützt?

"In Ländern, wo laut Verfassung keine Zensur besteht, wird ihre Aufgabe freiwillig von den Rezensenten übernommen."

Ulrich Erckenbrecht