Kontakt
Profil
Seite zurück
Seite vor
Rechtliches & Impressum

Eintrag vom 20. Mai 2017

Die Erosion unserer Wahl- und Umfrageergebnisse scheint die Leute zu beflügeln, zumindest bekomme ich seit letzter Woche einige Emails mehr von Leuten, die mir grinsend unseren Abschied aus dem Landtagen in Schleswig-Holstein und NRW unter die Nase reiben und die baldige Auflösung der Piratenpartei prophezeihen. Was ich mittlerweile ehrlich gesagt ziemlich ermüdend finde, denn diese Sprüche bekomme ich bereits seit geraumer Zeit zu hören, ohne dass mir die Auflösung der Piraten vom Bundesvorstand mitgeteilt wurde. Oh, ich bin durchaus kritikfähig und ja, einige Kommentare haben durchaus Recht wenn sie auf die zahlreichen Verfehlungen einiger unserer ehemaligen Vorstände oder Mitglieder hinweisen. Aber das ändert für mich nichts daran, dass ich auch weiterhin der Überzeugung bin, dass ich mit meinem Engagement für Demokratie, Bürgerrechte und Prvatsphäre auf der "richtigen" Seite stehe. Auch wenn das kaum jemanden in unserem Land zu interessieren scheint.

Es gäbe genug Stoff um sich aufzuregen: allein in den letzten zwei Wochen wurden derart viele, durchaus als demokratiekritisch anzusehende Gesetzesvorlagen vorgestellt oder im Hauruck-Verfahren durch das Bundesparlament gepeitscht, dass einem die Galle hochkommen könnte müsste.
Dass der Staat jetzt die Privatsphäre von Flüchtlingen ohne besonderen Grund mit Füssen treten kann und wird juckt niemanden, und wenn dann trifft es ja "nur die Ausländer". Parallel dazu wurde die Speicherung und der übergreifende Zugriff auf biometrische Passbilder eingeführt, so dass wir sicherlich schon bald (natürlich nur zu unserer eigenen Sicherheit!) überall auf Schritt und Tritt in der Öffentlichkeit kontrolliert und gerastert werden. Im Internet überwacht man uns ja sowieso schon am laufenden Band und - wenn es nach der "Großen Koalition" geht - auch bald (wieder) auf dem heimische Computer.

Aber... ist das jetzt unsere Schuld, dass daran niemand Anstoß nimmt So heimlich, wie es manchmal scheint, geht der Abbau unserer Grund- und Freiheitrechte nämlich auch wieder nicht vonstatten - es gibt, auch abseits der Piratenpartei wohlgemerkt - viele mahnenden Stimmen. Dass die Leute jetzt nochmal hohnlächelnd mit dem Finger auf uns zeigen ist - man vergebe mir meinen Zynismus - vielleicht nur das letzte Aufbäumen des Unterbewusstseins von Menschen die im Grunde ihres Herzens wissen, was als nächstes auf sie zukommen wird.

Wir haben die Themen benannt, wir haben gewarnt. Und heute höre ich schon wieder dass wir das alles ja "verschlafen" hätten - nirgendwo hätte man etwas von uns dazu gehört. Wie bitte? Vielleicht vergessen die Leute dass eine Partei kein Recht darauf hat, mit ihren Themen in den Medien zu erscheinen - außer gegen Geld, was man mir selbst im Rahmen einer Pressemitteilung durchaus zu verstehen gegeben hat... dann erscheint mein Artikel mit dem kleinen (manchmal auch fehlenden) Zusatz "Anzeige" in der Zeitung. Pressearbeit vom Allerfeinsten ist das, nicht wahr?
Nein, wir haben nicht geschlafen als Edward Snowden seine Enthüllungen präsentiert hat. Manche werfen mir heute noch vor, dass die Piraten diesen "Supergau" nicht genutzt hätten. Aber ehrlich: was Edward uns ins Gesicht gesagt hat war im Grunde genommen nichts, was wir nicht schon gewusst oder zumindest geahnt hätten. Der "Fall Snowden" war kein Supergau wie Chernobyl, wie er den GRÜNEN endgültig zum politischen Durchbruch verholfen hatte. Auch kein weltweiter Hackerangriff, der in England die Krankenhäuser und bei uns ein paar Parkgaragenschranken oder Infobildschirme an den Bahnhöfen lahmlegt.
Nein, richtig interessant wird es wenn all die vom Staat, von den Versicherungen oder sonstigen privaten Firmen über uns gesammelten Daten einmal in die "falschen" Hände gelangen. Und glaubt mir, die Frage ist nicht ob so etwas passieren kann, sondern nur wann es passieren wird! Dann wird ein Heulen und Zähneklappern durch das Land gehen. Dann werden all die Payback-Kunden, die "Ich habe doch nix zu verbergen"-Laberer so richtig erfahren was der Begriff "Privatsphäre" bedeutet.

Klar, ich könnte mich jetzt einigeln und mit den Schultern zucken. So ein bisschen Endzeitstimmung genießen, wie zuletzt im kalten Krieg, als wir nur darauf warteten dass die Atomsprengköpfe vom Himmel regnen. Bis dahin machen wir uns noch eine schöne Zeit, nach uns die Sintflut. Alle anderen haben die ganze Zeit nicht hören wollen - jetzt haben sie es verdient!
Aber das ist nicht meine Philosophie. Es trifft nämlich nicht nur die Schafe, die bereitwillig hinter dem Metzger zur Schlachtbank getrabt sind, sondern auch alle anderen, die sie mitreißen. Meine Freunde, meine Familie. Und für die mache ich auch weiter Piratenpolitik, mit Themen die keinen interessieren und uns als Partei gegenwärtig nur ein bis zwei Prozent einbringen. Dafür gehe ich auf die Straße, sammle Unterstützerunterschriften, diskutiere mit den Leuten und versuche sie zu überzeugen. Ich mache dass, damit ich mir morgen früh im Badezimmerspiegel noch in die Augen blicken kann. Ich mache dass, damit ich nicht vor Scham im Sessel versinken muss wenn mich mein Sohn oder Enkel einmal fragt: "Was hast Du eigendlich damals gemacht?"
Ich kann zumindest sagen: "Ich habe mein möglichstes versucht, um diesen Wahnsinn aufzuhalten."
Ob ich damit Erfolg hatte - nun, das steht auf einem anderen Blatt. Aber zumindest brauche ich mir nicht Passivität und Untätigkeit vorzuwerfen.

 

Viele Menschen, mit denen ich über Parteipolitik spreche, scheinen der Ansicht zu sein dass eine Demokratie so ähnlich funktioniert wie die Bundesliga oder dem European-Song-Contest: man muss sich so abstrampeln dass einen möglichst viele Menschen wählen, und dann hat man es geschafft.
Neee... eben nicht.
Es geht nicht darum zu "gewinnen". Es ist nur allzu menschlich, dass wir uns immer auf der Seite der Sieger sehen wollen. Dieser Wunsch sichert den "großen Parteien" immer und immer wieder die ausreichende Anzahl an Wählerstimmen, egal was sie sich in den letzten vier Jahren ihrer Amtsperiode wieder einmal an Schweinereien geleistet haben. Die Amigo-Affäre der CSU? Die CDU-Spendenaffäre? Die Agenda 2010? Egal... alles vergessen. Da kräht heute kein Hahn mehr danach!
Umgekehr scheint man den "Losern" ihre gar schrecklichen Verfehlungen immer wieder vorzuhalten. Wenn also unser Herr Ponader im Interview sein ganz persönliches Hartz-IV-Paket forderte oder ein paar Mitglieder für Unisex-Toiletten demonstrieren gingen - das merken sich die Leute, das werden sie uns noch die nächsten hundert Jahre unter die Nase reiben.
Klar kann man sagen, das war unsere Schuld. Meiner Meinung nach besteht bei der Sache jedoch ein klitzekleines Verhältnisproblem.

Aber lassen wir das, die Dinge sind wie sie sind. Am Ende jedoch liegt es nicht in der Hand von Parteien, wie sich unser Land politisch entwickelt, sondern in der Hand der Wähler. Den meisten Leuten ist die Politik - das habe ich auch heute am Infostand wieder mitbekommen - im Grunde genommen schnuppe. Sie gehen zum Wählen oder auch nicht. Was sie dabei aber auf alle Fälle übersehen: Politik ist mehr als nur alle vier Jahre ein Kreuzchen auf einem Zettel zu machen. Politik heisst, sich auch als Bürger beständig "einzumischen", sich zu engagieren, für das einzustehen was einem besonders wichtig ist. Nur so kann man etwas bewirken.

Und das ist der Grund, warum ich auch weiter für die Piraten unterwegs sein werde.

"Wenn Du stark sein willst musst Du lernen, alleine zu kämpfen."

Firas Alshater