Eintrag vom 4. November 2016
Vorgestern wurde vom bayerischen Innenminister Herrmann der Start eines neuen Pilotprojekts
verkündet: für ein Jahr lang soll nun in den Städten München, Rosenheim
und Augsburg der Einsatz von sog.
Bodycams bei Streifenpolizisten erprobt werden, um dann ggf. alle
Polizeibeamten im Freistaat Bayern mit solchen Geräten auszurüsten.
Nachdem die ersten Meldungen zu diesem Vorhaben bereits vor einigen Monaten durch die
Presselandschaft geisterten, hatte ich mich direkt mit einem Schreiben an das bayerische
Innenministerium gewandt und um Auskunft zu den Details dieses Modellversuchs und des
späteren Regeleinsatzes gebeten. Denn, ähnlich wie auch dem bayerischen
Landesdatenschutzbeauftragten,
stößt bei mir der Einsatz solcher polizeilichen Aufzeichnungen auf ziemlich
gemischte Gefühle.
Laut der
Presseerklärung des
bayerischen Innenministers kam es im vergangenen insgesamt 7.000 Fälle "verbaler
oder physischer Gewalt" gegen Polizeibeamte im Freistaat - in der lokalen Presse
war abweichend davon von 15.000 Angriffen die Rede, bei denen über 2.000 Beamte verletzt
worden sein sollen. Der Einsatz von Bodycams soll aus diesem Grund "zum Schutz der
Beamten" sowie "zur Beweissicherung in Strafverfahren"
erfolgen und helfen, "strittige Situationen eindeutig aufzuklären",
da in der Praxis Beschuldigte, die einen Beamten angegriffen hätten, in der Regel ebenfalls
"Gegenvorwürfe" erheben würden.
Ich möchte klarstellen: körperliche Angriffe auf Beamte im Dienst sind meiner Meinung
nach strikt zu verurteilen und gemäß der Gesetzeslage zu ahnden. Ob verbale
Ausfälle hingegen bereits das "Anfertigen von Bild- und Tonaufnahmen"
rechtfertigen wage ich einmal anzuzweifeln, schon allein deswegen weil Polizeibeamte im Dienst
berufsbedingt nicht zu Kaffeekränzchen gerufen werden sondern sich in grundsätzlich
gefährlichen Situationen bewegen, in denen sie die Beteiligten nicht in "Bestform"
erleben. Sprich: wer den Beruf eines Polizisten ergreift, sollte sich bewusst sein dass man
für diese Art von Arbeit ein etwas "dickeres Fell" mitbringen muss.
Weiterhin stelle ich die Argumentation in Frage, nach der diese Videomitschnitte zur Klärung
angeblich haltloser Vorwürfe dienen sollen: die mir bekannten Fälle, in denen Polizisten
Misshandlungen oder "übertriebene Gewaltanwendung" vorgeworfen wurde, standen nicht
in direktem Zusammenhang mit einer rechtmäßigen polizeilichen Vorgehensweise - wurden
also nicht gänzlich
unbegründet
erhoben. Der Einsatz der Kameras in Städten wie Rosenheim, dass in der Vergangenheit ja
"einschlägig"
bekannt geworden
ist, entbehrt also nicht einer gewissen Ironie.
Die Aussagekraft der mit Hilfe der Bodycams angefertigten Aufzeichnungen stehen aber insofern in
Frage, da diese nicht durchgehend das Verhalten des jeweiligen Beamten dokumentieren. Entgegen der
so oft als Vergleich angeführten Einsätze dieser Technologie in den USA laufen die
Kameras nämlich nicht automatisch mit, sondern werden von den Beamten manuell ein- bzw.
ausgeschaltet. Das ist aus datenschutzrechtlicher Sicht sicherlich zu begrüßen, hat
jedoch den Nachteil das ein eventuell einem Ereignis vorangegangenes "Fehlverhalten"
des Polizeibeamten, das zur Eskalation einer Situation beigetragen hat, nicht erfasst wird. Somit
würde ich die gemachten Aufnahmen unter kritischer Würdigung nur sehr eingeschränkt
als "Beweismittel" akzeptieren und als betroffener Bürger hoffen, dass Passanten
zusätzlich das Geschehen aus einer neutraleren Position mit Hilfe von Handykameras
dokumentiert haben - auch wenn dies den beteiligten Polizeibeamten in der Regel nicht unbedingt
gefällt.
Laut Innenminister Hermann ist eine Änderung des
Polizeiaufgabengesetzes für
die Durchführung des Modellversuches nicht erforderlich. Allenfalls bei einer späteren
dauerhaften Anwendung müsste diese Gesetz entsprechend angepasst werden. Es wird also passend
gemacht, was passen "muss" - ein fragwürdiges Vorgehen.
Zwar seien aus anderen Bundesländern bereits die "positiven Auswirkungen" solcher
Bodycams bekannt, man wolle aber dies auch in Bayern mit verschiedenen Kameramodellen testen und
danach die Beamten über ihre Erfahrungen befragen. Warum, frage ich mich, ist eine Befragung
der gefilmten Personen bzgl. ihrer Ansichten nicht vorgesehen...?
Überhaupt stellen sich durch den Einsatz solcher Bodycams noch eine ganze Reihe weiterer
Fragen. Zum Beispiel: wie steht es mit der Datensicherheit der Aufzeichnungen? Wie kann man sich
als unbeteiligter Passant gegen die Aufzeichnung (Stichwort: Recht am eigenen Bild) wehren oder
diese entsprechend überprüfen? Wie wird eine nachträgliche Manipulation der
Aufzeichnungen wirkungsvoll verhindert? Welche Personen können unter welchen Umständen
Zugriff zu dem Datenmaterial erhalten, zu welchen Zwecken werden die Aufnahmen verwendet? Und
wie kann ich die Einhaltung aller datenschutzrechtlichen Vorgaben als betroffener Bürger
überprüfen?
All diese Fragen habe ich bereits vor mehreren Monaten (und seitdem wiederholt) dem bayerischen
Innenministerium gestellt.
Als Reaktion erhielt ich die Aussage, dass diese Punkte sich noch
"in der Klärungsphase befinden" würden und das man mir die
Informationen mit Anlaufen der Pilotphase mitteilen würde. Aus diesem Grund bin ich auf
die Informationen der Pressepublikationen angewiesen, welche offenbar schneller mit Angaben
versorgt werden konnten als man es bei einem nachfragenden, von den Vorgängen betroffenen
Bürger tun könnte.
So konnte ich Zeitungsartikeln entnehmen, dass die Aufnahmen der Kameras über einen
Zeitraum von drei Monaten auf sog. "Auslese-Notebooks" gespeichert
werden würden. Nach Ablauf dieser Frist würden Aufnahmen, die zur Strafverfolgung
relevant seien, dann auf eine DVD gebrannt und der Staatsanwaltschaft weitergeleitet, ehe
die erfassten Daten im nächsten Schritt gelöscht werden würden.
Bin ich der einzige, dem sich hier die Nackenhaare aufstellen? Personenbezogene Daten werden
auf mobil mitgeführte Computersysteme gespeichert, die zumindest für die Dauer des
Einsatzes in den Dienstwagen verbleiben? Kann man hier in irgendeiner Art und Weise von
"Datensicherheit" sprechen - in einer Zeit, in der sich Polizeibeamte sogar ihre
Maschinenpistolen klauen
lassen? Und wie soll unter solchen Umständen die Manipulation der Aufzeichnungen sicher
ausgeschlossen werden können? Selbst wenn der Computer verschlüsselt sein sollte - ein
solcher Fall wäre in jeglicher Hinsicht ein datenschutzrechtlicher Supergau!
Kein verantwortungsbewusster Mensch (vor allem keiner, der eine Datenschutzbelehrung absolviert
hat, wie ich es den beteiligten Beamten einfach mal in unglaublich optimistischer Weise
unterstellen möchte) würde ein solches System einsetzen. Ich kann nur hoffen, dass
es sich hierbei um eine
Zeitungsente gehandelt hat...
Ich warte deswegen noch auf die offizielle Beantwortung meiner Fragen durch das bayerische Innenministerium. Sobald mit die Stellungnahme vorliegt, werde ich diese auf meinem Blog veröffentlichen und als Vorsitzender unseres Kreisverbandes auch auf unserer Homepage einen Kommentar abgeben.
"Ich stehe unter Beobachtung: man verdächtigt mich, klug zu sein."