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Eintrag vom 7. Februar 2016

Bestrebungen, das Bargeld abzuschaffen und durch eine rein elektronische Bezahlform zu ersetzen, gab es schon des öfteren. So ist diese Idee vor allem bei Europäische Zentralbank, der EU-Komission und sogar bei dem ein oder anderen sog. Wirtschaftsweisen beliebt.
Auch in der Bundesregierung ist das Thema in der Diskussion, wenn auch (derzeit noch) in abgeschwächter Form. So plant man zur "Eindämmung von Geldwäsche und internationaler Terrorfinanzierung" die Einführung einer "Obergrenze" im bargeldbehafteten Zahlungsverkehr von 5000 Euro einzuführen - Geschäfte im Wert von mehr als 5000 Euro sollen somit zukünftig nur noch in elektronischer Form als Giralgeld, sei es per Überweisung oder Zahlung per Kredit- oder Bankkarte erlaubt sein. Der Hintergedanke: der Zahlungsverkehr soll dokumentierbar und nachverfolgbar werden - weg von der Anonymität des Bargeldes.

Am liebsten würde die Bundesregierung "eine einheitliche europäische Lösung" anstreben. Allerdings bekräftige man auch, notfalls im Alleingang Maßnahmen zu ergreifen. Schließlich seien solche Höchstgrenzen auch schon in anderen Staaten Europas eingeführt worden.
Gegen solche Ideen laufen Verbraucher- und Datenschützer Sturm und können sich dabei sogar der Unterstützung der Bundesbank sicher sein. Gemäß geltender Gesetzeslage (zumindest bis sie von der Bundesregierung geändert werden sollte) ist der Euro in Bargeldform das einzig rechtlich abgesicherte Zahlungsmittel - Zahlungen in elektronischer Form sind hierbei nur Hilfmittel zur Vereinfachung des Zahlungsverkehrs, welche jedoch von Geschäftspartnern nicht akzeptiert werden müssen. Auch aus rechtlicher Sicht gilt der Merksatz:
 
"Nur Bares ist wahres..."

Ja, aber wenn es doch gilt, Verbrecher und Terroristen zu bekämpfen? Das sollte uns eine Verbesserung unserer Sicherheit doch Wert sein?!
Nehmen wir diese Argumentation doch einfach mal kurz ein wenig auseinander, in Ordnung? Betrachten wir also nachfolgend mal die Auswirkungen einer solchen "Obergrenze" auf die Geschäftsfelder der organisierten Kriminalität, der Hehlerei und des Terrorismus.
Den Straftatbestand der Steuerhinterziehung lasse ich hier mal beiseite - weil diejenigen, die Steuern in großem Stil hinterziehen, nicht auf Bargeldgeschäfte zurückgreifen, da ihnen ganz andere (zum Teil von staatlicher Seite auch noch geförderte) Mittel und Wege zur Verfügung stehen.

Fangen wir mit der Hehlerei an, also dem Verkauf gestohlener Waren und Güter. Ich wage zu behaupten dass es sich hierbei um Warenwerte handeln würde, die deutlich unterhalb der "Obergrenze" von 5000 Euro liegen dürften. Grund ist, dass diese Güter von den Dieben deutlich unter ihrem eigenen Wert verkauft werden - schließlich will man die "heiße Ware" möglichst schnell in unauffälligere Zahlungsmittel umtauschen um sich der Beute zu entledigen.
Dann die organisierte Kriminalität, die ihre Erlöse aus Waffen-, Menschen- oder Drogenhandel "rein waschen" möchte. Zum einen erschließt sich mir nicht, warum "kleine Fische" in dieser Branche mit hohen Einzelbeträge über 5000 Euro arbeiten sollten, zum anderen wird ein solches Gesetz die "dicken Brocken" des Big Business nicht davon abhalten, weiterhin schwarze Köfferchen auszutauschen, in denen unter einem doppelten Boden bündelweise Banknoten versteckt sind. Wer mit Waffen und Drogen im großen Stil handelt, der wird auch das Risiko des Bargeldtransfers überführt zu werden, eingehen können. Zumal man für den Austausch der Köfferchen auf kleinkriminelle Handlanger, wenn nicht gar auf durch Prominenz oder Diplomatenstatus geschützte Kuriere zurückgreifen kann.
Und die Terroristen des IS? Verkaufen diese die geraubten Kunstschätze geplünderter Heiligtümer oder Museen an Antiquitätensammler, indem sie diese in den Kleinanzeigen der Tageszeitung inserieren oder auf einem bundesdeutschen Flohmarkt anpreisen? Verschachern sie das Öl der von ihnen kontrollierten Förderstätten im Irak gegen Bargeld? Mitnichten - hinter diesen Finanzströmen stehen mächtige Handelspartner, teilweise sicherlich mit Unterstützung von Geheimdiensten, die weder Rechnungen ausstellen noch Buch über diese Geschäfte führen!
Wir fassen zusammen: gegen die genannten kriminellen Praktiken sind die Einführung von Zahlungsobergrenzen ohne Belang - weil sie sich im Zweifelsfall einfach nicht darum kümmern werden. Selbst wenn man auf der ganzen Welt das Bargeld abschaffen würde, könnten sich diese Herrschaften dann einfach auf den Vorgänger von Scheinen und Münzen besinnen: den Austausch von Ware gegen Ware, z.B. Drogen gegen Waffen.

Ach ja - ich habe noch die Korruption vergessen. Aber die zählt doch nicht wirklich, oder? Solche "Spenden" werden dann einfach nonchalant als "sonstige Einnahme" verbucht. Konsequenzen ergeben sich darauf für die Beteiligten keine - und wenn, dann wartet man einfach ab bis wieder Gras über die Sache gewachsen ist, ehe man seine (politische) Karriere fortsetzen kann.

Auf der anderen Seite: welche Auswirkungen hat die Abschaffung des Bargeldes oder eine Einführung einer Bargeldobergrenze für den nicht-kriminellen, staatstreuen Otto-Normalverbraucher? Bei uns in Deutschland wird immer noch überwiegend mit Bargeld gezahlt - weil es einfach sicherer ist. Ein Beispiel hierzu:

Kaufe ich mir als Verbraucher zum Beispiel ein neues Auto, kann ich bei Barzahlung in der Regel höhere Rabatte beim Händler heraushandeln - auch wenn einen diese heutzutage gerne zu einer Finanzierung überreden wollen, weil sie bei der Bank dann Vermittlungsprovisionen kassieren können. Für mich wird dieser Handel also teurer.
Umgekehrter Fall: Wenn ich meinen alten Wagen selber verkaufe, anstatt ihn in Zahlung zu geben, bekomme ich in der Regel auch mehr dafür. Aber wie soll ich das machen, wenn der Wert über 5000 Euro liegt? Bisher galt: Schlüssel und Fahrzeugbrief gegen Cash, und die Scheine konnte man gleich bei der Bank um die Ecke auf ihre Echtheit überprüfen lassen. Nach der geplanten Neuregelung kann ich entweder auf Vorkasse per Überweisung bestehen (was wohl kein Käufer mitmachen würde) oder ich gebe das Fahrzeug ab, ohne das Geld gesehen zu haben - der Durchschnittsbürger verfügt über keinen Kreditkartenleser, ein Scheck kann nicht gedeckt sein und der Verkauf "auf Rechnung" ist keine Option, selbst wenn man den Fahrzeugbrief bis zum Geldeingang einbehalten würde. Ein findiger Autodieb mit guten Verbindungen hat das Auto schneller ins Ausland geschafft als die Bank das Geld überweisen könnte, wo dann ein "neuer" Fahrzeugschein "erstellt" werden kann - der für einen Verkauf in irgend ein Entwicklungsland gut genug ist.

Durch den Wegfall der Bargeldzahlung schränkt man also den Bürger in seiner Freiheit als Verbraucher erheblich ein. Aber das ist nur ein Nebeneffekt, denn durch eine elektronische Zahlung legt man als Kunde sein Verbraucherverhalten gegenüber allen zugriffsberechtigten Stellen offen. Der Handel, die Bank und die Behörden können nachprüfen, wer wann und wo welche Waren gekauft oder Dienstleistungen in Anspruch genommen hat.
Und warum sollte dieser "Berechtigtenkreis" nicht ausgeweitet werden können? Krankenkassen haben bestimmt Interesse daran zu erfahren, wie hoch der Tabak- oder Alkoholkonsum ihrer Versicherten ist, um bei "selbstverschuldeten Folgeerkrankungen" die Leistungen zu streichen. Arbeitsagenturen werden das Konsumverhalten von Harz-IV-Empfängern kontrollieren wollen. Und wer Pflanzendünger im Baumarkt erwirbt, sollte dafür besser einen verdammt guten Grund haben - und mit einer Hausdurchsuchung wegen Terrorverdachts rechnen.
Das alles ist übrigens ein alter Hut: schon 1971 wurde eine Studie für den amerikanischen Geheimdienst erstellt, wie der KGB die russischen Bürger am besten überwachen lassen könnte. Die Antwort lautete: die Kreditkarte (Debit Card).

Aber mehr noch, werfen wir einen Blick auf das Endstadium: die oft diskutierte Abschaffung des Bargeldes als Zahlungsmittel: was wäre im Fall eines Systemversagens - wie sollen Einkäufe getätigt werden, wenn der Server der Bank gerade keine Verbindung aufbauen kann?
Und wie lange würde es wohl dauern bis die ersten Gedanken für die Einführung von Negativzinsen auch auf private Sparguthaben laut werden würden, um den Konsum und die Wirtschaft anzukurbeln? Wie sollte sich dann der Bürger davor schützen können, wo er nicht einmal mehr sein Sparguthaben abheben und sich als Bargeld auszahlen lassen könnte? Von einem Kollaps der Finanzsysteme ganz zu schweigen - oder soll durch diese Maßnahme die Gefahr eines "Bank Runs" wie zuletzt in Griechenland gar proaktiv verhindert werden?
Wir fassen zusammen: elektronisches Geld ist nicht das Papier des letzten Kontoauszuges wert. Ein unabhängiges Verbraucherverhalten ist nur mit Bargeld als Zahlungsmittel möglich. Selbst wenn es nur um die Möglichkeit geht, dem Bettler an der Ecke ein paar Euro in den Hut werfen zu können.

Die Auswirkungen auf die Selbstbestimmung und Privatsphäre des Menschen durch eine Kontrolle seines Verbraucherverhaltens sind also enorm. Deswegen kann ich Bestrebungen zur Abschaffung des Bargelds als Zahlungsmittel nur ablehnen. Sehr enttäuscht haben mich in diesem Zusammenhang Forderungen von Aktivistengruppen wie Transparency International nach einer noch niedrigeren Bezahlgrenze (die Rede war zuletzt von nur 1000 Euro!) - ein solcher Betrag wird von mancher Alltagsanschaffung wie einer Waschmaschine, einem Gaming-PC oder einer E-Gitarre bereits erreicht oder übertroffen. Hier wurde der Begriff der Transparenz offenbar völlig falsch verstanden.
Ja, wir Piraten sind für mehr Transparenz - aber für eine Transparenz der Mächtigen, nicht der kleinen Leute. Der Staat muss gegenüber seinen Bürgern gläsern werden, aber nicht der kleine Mann von der Straße sich vor den Interessen von Institutionen, Behörden und Wirtschaftsverbänden nackig machen!

Und ja, auch wir Piraten haben nichts gegen elektronische Bezahlhilfen im täglichen Leben. Wir haben nichts gegen die Möglichkeit, sein Parkticket oder seine Busfahrkarte per Mobiltelefon zu bezahlen. Wo wir Probleme haben ist der Punkt, an dem der Verbraucher mangels Alternativen oder auf Grund von Gesetzeserlassen zur Nutzung solcher Systeme gezwungen ist, die dazu geeignet sind seine Privatspähre einzuschränken und seine Lebensführung zu durchleuchten! Deswegen protestieren wir gegen die geplanten Änderungen des Zahlungsverkehrs.
Auch heute schon lassen es Verbraucher zu, dass ihr Konsumverhalten ausgeforscht wird - durch die Nutzung von Kundenkarten zum Sammlen von "Treuepunkten". Der Erfassung des Verbraucherverhaltens zuzustimmen muss aber auf einer freien Entscheidung beruhen - und damit auch revidierbar sein. Das Argument, dass der Kunde diese Daten ja ohnehin freiwillig zur Verfügung stellen würde kann somit bestenfalls für die Teilnehmer dieser Sammelprogramme gelten, aber nicht als Grundlage für eine Gesetzesänderung mit so weitreichenden Folgen dienen! Der Bürger muss die Wahl haben, was mit seinen Daten geschieht!

Es wäre schön, wenn der Bürger sich dieses Rechts wieder verstärkt bewusst werden würde.
Und nicht nur bei seinem nächsten Besuch im Supermarkt...

"Den Weisen kannst du an der Wahl der Zwecke entdecken, den Klugen an der Wahl der Mittel zum Zweck."

Friedrich Rückert