Eintrag vom 16. August 2012
Die meisten Leute, die mich kennen, wissen, dass ich kein Fan der Bundeswehr bin. Innerhalb eines befriedeten Europas und mit Freunden an allen Landesgrenzen besteht keine ernstzunehmende Gefahr mehr für unser Land, solange wir nicht durch einen entscheidenden Wechsel in unserer Aussenpolitik uns neue Feinde schaffen.
Als Konsequenz aus den Feldzügen eines ebenso größenwahnsinnigen
wie zu kurz geratenen Diktators wurde die Bundeswehr als Verteidigungsarmee
konzipiert. Ihre Aufgabe bestand darin, eine Invasion feindlicher Bodentruppen
abwehren zu können, ohne über ein nennenswertes Potential für
eigene, feindliche Einmarschversuche in andere Staaten darzustellen. Dieses
Konzept ist das einzige, für mich irgendwo nachvollziehbare, wenn es um den Versuch
einer Rechtfertigung geht, Menschen gezielt zu Mördern
zum Töten auf Befehl auszubilden.
Ohne einen Gegner, der die Grenzen bedroht, braucht man aber eigendlich auch
keine Bundeswehr mehr. Um nicht in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden,
hat das Verteidigungsministerium deswegen sich schon vor geraumer Zeit um
die Beteiligung an Auslandseinsätzen beworden
(Komisch ja, dass unseren Gegner das ähnlich sehen).
Und weil es ja so langweilig ist, immer nur hinter den anderen Verbündeten
aufzuräumen, können unsere Soldaten endlich ab und zu auch mal selbst
"mitspielen".
Wenn es dabei mal Kollateralschäden geben sollte, tut das mittlerweile den
Karrierechancen innerhalb der Truppe keinen Abbruch
mehr. Denn unser Bundespräsident
vertritt ja ganz offiziell die Ansicht, dass wir Deutschen endlich mal unsere
"Glückssucht" in den Griff bekommen sollen - die paar
Gefallenen,
naja, ist halt so, nicht?
Einer seiner Vorgänger hatte wenigstens das Ehrgefühl,
schon aus geringerem Anlass
zurückzutreten...
Natürlich leidet die Moral der Truppe, wenn zuviele Kameraden in Gras beißen müssen. Vielleicht hofft die Führung deswegen, neben den gefährlichen Auslandseinsätzen auch andere, weniger risikobehaftete Einsatzgebiete erschließen zu können. Nachdem Militärkonflikte angeblich immer mehr innerstaatlich ausgetragen werden, bettelt die Bundeswehr ja schon seit Jahren darum, auch innerhalb Deutschlands für Stabilität und Sicherheit sorgen zu dürfen. Wir befinden uns schließlich im "Krieg gegen den Terrorismus". Naja, zumindest schon bald. Doch, doch! Ehrlich! Versprochen! Und wenn es soweit ist, dann sind wir bestens vorbereitet. Sogar über Referenzen verfügen wir schon.
Das einzige, was unserer Armee für ihre neuen Herausvorderungen noch fehlt, sind
Rekruten. Den Wegfall der Wehrpflicht kann man halt nur bedingt mit Reservisten ausgleichen.
Und deshalb ist die "Nachwuchsförderung" strategisch in den Mittelpunkt
gerückt.
Der erste Gedanke, einfach Hartz-IV-Empfänger
quasi "zwangszuverpflichten", hat sich bislang noch nicht so ganz durchsetzen können.
Deswegen wird jetzt das zweite Feld umso intensiver beackert: Die Werbung um den Nachwuchs direkt
an den Schulen.
So bietet die Initiative "Frieden und Sicherheit"
vorgefertigte Untersichtsmaterialien und Arbeitsblätter für Lehrer an, um damit ihren
Unterricht gestalten zu können. In acht Bundesländern gibt es Kooperationsabkommen
mit Schulen, welche der Bundeswehr Räumlichkeiten für
"Beratungsgespräche"
zur Verfügung stellen. Auch Fortbildungsseminare von Lehrpersonal oder Sportveranstaltungen
werden zur Nachwuchsgewinnung
genutzt, ebenso wie Berufsbildungsmessen.
Während von Seiten der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft sowie von
leidtragenden Schülern Kritik geübt wird, findet sich anderern Orts auch Unterstützung
in der Schullandschaft.
Den Vogel schoss zuletzt eine Grundschullehrerin in Gummersbach ab, welche
im Rahmen des Projekts Schutzengel für Afghanistan
Bastelarbeiten an die dort stationierten Truppen schickte und für die Soldaten Morgengebete
abhält. Die Kinder werden bis mindestens 2014 täglich über das "Wetter"
im Einsatzgebiet unterrichtet und vermutlich auch über die dortige "Lage" der Bundeswehrtruppen auf dem
Laufenden gehalten.
Ich frage mich, ob die Kinder im Rahmen dieses Projekts auch etwas über die andere
Seite
des Afghanistan-Krieges und dessen Geschichte oder die
heutigen Hintergründe
erfahren..? Vermutlich nicht, denn dass würde wohl gegen das Jugendschutzgesetz verstoßen.
Ich frage mich auch, ob die Kinder auch Schutzengel für die afghanische Zivilbevölkerung gebastelt haben. Und ob sie auch die Eltern,
Kinder und alten Leute, die quasi "zwischen den Fronten" stehen, in ihre Gebete mit einschließen. Ich habe irgendwie
so meine Zweifel.
Ich hoffe jedoch, dass die Lehrerin mit den Schulkindern als Ausgleich auch andere
Inhalte
und Texte
besprechen wird. Wobei es in Deutschland zumindest in der Vergangenheit immer wieder so war,
dass mißliebige Äusserungen
gerne ungesagt bleiben sollten...
Ehrlich gesagt, es graut mir zu hören wie die neue Selbstverständlichkeit des
Krieges Friedensstiftens
wieder um sich greift. Ich persönlich halte es strikt wie
Reinhard Mey
und werde mit all meiner Kraft intervenieren, wenn ein Werbeoffizier das Morden
Töten auf Befehl
vor der Klasse meines Sohnes glorifizieren will!
Ich bin stolz, den Wehrdienst verweigert zu haben und ein Zivildienstleistender gewesen zu sein!
Update vom 17.08.2012:
Der Damm ist gebrochen. Das Bundesverfassungsgericht hat den Einsatz der Bundeswehr im Inneren unter Auflagen
legitimiert. Die Einschränkung,
dies dürfe nur in "Ausnahmesituationen katastrophischen Ausmaßes" geschehen, ist für
mich jedoch nicht mehr als ein Feigenblatt. Abgesehen davon, dass man nahezu jede Aktion als Selbstverteidigung
deklarieren kann, gilt der Grundsatz: Wo kein Kläger, da
kein Richter. Und selbst wenn ein Gericht Jahre später die Unrechtmäßigkeit eines Einsatzes
bestätigen sollte, ist das Kind schon längst in den Brunnen gefallen, die Opfer sind verstümmelt oder tot.
Es ist damit amtlich: Das Verteidigungsministerium darf ab sofort wieder deutsche Soldaten auf deutsche Bürger
schießen lassen. Zur Gefahrenabwehr, zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung... so oder so ähnlich
wird man es dann nennen...
Ich habe soeben eine Petition mit der Nummer 35029 beim Deutschen Bundestag gegen den Einsatz der Bundeswehr im Inneren eingereicht. Es wäre schön, wenn Ihr diese ggf. unterstützen würdet, sobald sie nach der "Prüfung" auf https://epetitionen.bundestag.de zur Mitzeichnung verfügbar ist.
"Nur die Toten haben das Ende des Krieges gesehen."