Kontakt
Profil
Seite zurück
Seite vor
Rechtliches & Impressum

Eintrag vom 23. November 2017

Vom Bermuda-Dreieck jetzt mal wieder zurück ins kalte Deutschland zu den Piraten. Im Zuge der Analyse der zurückliegenden Bundestagswahl hat sich zurecht die Frage gestellt wo die Gründe für unser schlechtes Abschneiden liegen. Als einen Punkt habe ich bereits unsere miserable Außendarstellung verortet, die zuückliegenden Querelen und der Scherbenhaufen, den einige "extrovertierte" und mittlerweile auch ehemalige Parteimitglieder uns hinterlassen haben.
In den auf unseren Plattformen geführten Diskussionen ist in den letzten Tagen auch zum Vorschein gekommen dass es, ähnlich wie in den anderen Parteien auch, immer noch einige Unruheherde gibt. Mitglieder, die gezielt und fernab jeder konstruktiven Kritik pauschale Rundumschläge verteilen. Mitglieder, die gegen einzelne oder mehrere Piraten wettern, über sie herziehen, teilweise unrichtige Behauptungen aufstellen und - wenn sie darauf mit diesem Umstand konfrontiert werden - sich in Empörungstriraden ergehen.
Innerhalb der Netzkultur nennt man solche Personen Trolle. Und wie gesagt, in jeder Partei gibt es welche. Wir Piraten haben leider nicht das "Glück" dass diese Leute bei uns das professionelle Niveau eines bayerischen CSU-Kronprinzen erreichen... andererseits sind sie durch ihr plumpes Vorgehen dadurch leichter erkennbar, so dass sie heute keine Chance mehr haben in Positionen innerhalb der Partei zu gelangen, in denen sie wirklichen Schaden anrichten können. Sie können jedoch immer noch Diskussionen stören und dadurch die Kräfte anderer Mitglieder binden, welche besser für zweckdienlichere Aufgaben eingesetzt werden könnten, sie können engagierte Mitglieder demotivieren und natürlich auch für eine negative Außendarstellung sorgen - schlimm genug.

Ich gebe zu ich bin ein Mensch der zunächst versucht, für alle Seiten Verständnis aufzubringen und zu vermitteln. Irgendwann ist jedoch auch bei mir ein Punkt erreicht an dem mir der "schwäbische Gruß" auf der Zunge liegt. Ich halte es in diesen Situationen dann für besser mit den Schultern zu zucken und den sich als Troll präsentierenden Mitpiraten mit sich selbst (oder den Stimmen in seinem Kopf) reden zu lassen.
Was mich jedoch nicht kalt lässt ist, wenn man mir im Verlauf eines solchen Meinungsaustausches den Vorwurf der Unfähigkeit macht. In diesem speziellen Fall wurde mir auf die Frage, warum eine bestimmte Person trotz offensichtlicher Unzufriedenheit und der eigenen (nicht belegbaren) Überzeugung, durch Vorstandsmitglieder höherer Ebenen gemobbt und behindert zu werden denn noch Mitglied in einer Partei ist, welche angeblich verfilzt und undemokratisch agiert, entgegnet:
 
"Wer in verantwortlicher Position eine solch verheerende Wahlniederlage einfährt, sollte sich in der Demokratie überlegen, ob er eventuell etwas falsch macht, anstatt diejenigen, die nicht verantwortlich sind und auf die Schwachpunkte hinweisen, zu fragen, was sie noch bei den Piraten hält. "

Ich bin ein Mensch der Kritik durchaus zu schätzen weiß. Aus diesem Grund nehme ich kritische Worte selbst dann ernst, wenn sie von Trollen kommen. In solchen Situationen gehe ich einen Moment in mich um mein Handeln, meinen Beitrag zu überdenken und zu hinterfragen.
In der Tat ist es zutreffend, dass ich eine Verantwortung trage - in meiner Rolle als "Kontaktpirat" (also als der Ansprechpartner für Fragen von Bürgern) während der letzten sechs Jahre, als Vorstand meines Kreisverbandes während der letzten drei Jahre, als Bezirksvorstand während des vergangenen Jahres, als aktiver Helfer in bislang vier abgeschlossenen und zwei (bzw. drei, wenn es wie abzusehen zu Neuwahlen auf Bundesebene kommen sollte) anstehenden Wahlkämpfen. Aus diesem Grund nehme ich den oben zitierten Vorwurf auch nicht auf die leichte Schulter.
Habe ich also in der Vergangenheit Fehler gemacht? Habe ich falsche oder unzureichende Leistung für unsere gemeinsamen Parteiziele an den Tag gelegt? War mein Verhalten meinen Mitpiraten gegenüber kritikwürdig? Was war mein Beitrag für die Piratenpartei?

Von Anfang an habe ich meine Schwerpunkte innerhalb unserer Partei gesetzt und bin stets vehement und engagiert für sie eingetreten. Ich habe sie intern wie extern in Diskussionen mit Bürgern und Vertretern anderern Parteien verteidigt und bin für die Prinzipien von Freiheit, Bürgerrechten und demokratischen Werten bei zahlreichen Demonstrationen auf die Straße gegangen.
Ich bin Gründungsmitglied in meinem Kreisverband, für den ich sofort aktiv geworden bin. Ich habe die Stammtische im Landkreis organisiert und betreut, die Kandidaten meines Wahlkreises bei den Wahlen unterstützt, Infostände organisiert und abgehalten, Unterstützungsunterschriften gesammelt, die Plakatierung organisiert und durchgeführt.
Um die Aufmerksamkeit auf die für uns so wichtigen Punkte Transparenz, Grundrechte und Datenschutz zu lenken habe ich in den zurückliegenden Jahren mehrfach Kurse und Workshops organisiert und durchgeführt. Im Freundes- und Bekanntenkreis habe ich die Leute zum Einsatz freier Software, alternativer Betriebssysteme und zur Verschlüsselung ihrer Emails und Daten angehalten und sie bei der Umsetzung unterstützt.
Ich bin als aktiver Pirat bekannt. Mein Auto zieren Schilder der Partei und zu jeder anstehenden Wahl verwandele ich es in ein fahrendes Wahlplakat.
Ich war beim aBPT 2014.2 in Halle mit dabei als es galt, den Kurs unserer Partei zurechtzurücken. Ich habe dort dazu beigetragen einen Vorstand abzuwählen, der den politischen Kurs der Partei nach links verschoben hatte und dazu beigetragen, dass die Piraten wieder liberal anstatt ideologisch agieren.
Seit der Übernahme des Kreisvorstandspostens habe ich mich darum bemüht, Mitglieder zu aktivieren und den Bürgern die Ziele unserer Partei zu vermitteln. Dies geschah in unzähligen persönlichen Gesprächen zu den verschiedensten Themen, in denen ich unsere Werte vertreten und die Alternativpositionen der Piraten dargelegt habe. Ich habe an Diskussionsforen teilgenommen und über Stunden hinweg an Infoständen mit den Passanten diskutiert, Flyer verteilt und für unser Programm geworben. Seit einem Jahr versuche ich im Rahmen der mir verbliebenen Kräfte zusätzlich den Bezirksvorstand zu unterstützen. Ich kümmere mich um unsere Mitglieder und stehe auch Leuten, die nicht aus unserem Kreisverband stammen, für Fragen oder bei Problemen zur Verfügung.
 
Was ich nicht gemacht habe war, aktiv ein solches Amt anzustreben. Ich wurde Vorstand auf Wunsch der Basis unserer Kreisverbandes, nachdem mein Vorgänger nach mehreren Amtsperioden zu Gunsten seiner Familie nicht erneut kandidieren wollte. Ich wurde Vorstand im Bezirksverband auf Wunsch und mit den Stimmen der Mitglieder in Schwaben. Ich sehe mich in beiden Positionen nach wie vor als Notlösung, da sicherlich qualifiziertere und geeignetere Mitglieder für diese Ämter in Frage kämen und werde zu ihren Gunsten meinen Platz sofort räumen, wenn dies durch meine Mitpiraten gewünscht wird.
Gleiches gilt für meine angekündigte Kandidatur zur bayerischen Landtagswahl im kommenden Jahr. Ich erkläre mich auf Wunsch meiner Mitpiraten bereit hier Verantwortung zu übernehmen und mich den Bürgern zur Wahl zu stellen. Es liegt nicht in meinem Bestreben ein politisches Amt zu bekleiden, sondern Dinge in unserer politischen Landschaft zu verändern und meiner Meinung nach bestehende gesellschaftliche Probleme zu lösen. Ob ich die Fähigkeit und das nötige Rüstzeug dazu mitbringe müssen diejenigen entscheiden, die mich zu einer Kandidatur auffordern und mir im Wahlgang ihre Stimme geben wollen.

Ich habe mir die letzten Tage, während ich mit Grippe im Bett lag, über all das viele Gedanken machen können. Alle an mich herangetragenen Aufgaben habe ich erfüllt, ich bin allen damit zusammenhängenden Verpflichtungen nach bestem Wissen und Gewissen nachgekommen. Zu keinem Zeitpunk habe ich mich vor einer Arbeit gedrückt, weil sie mir unbequem war oder ich gerade "keine Lust" darauf hatte.
Deswegen kann ich guten Gewissens sagen, daß ich nicht sehen kann inwieweit man hier Vorwürfe machen könnte. Mein Handeln für die Piraten ist durchgehend auf der Grundlage unseres Programms erfolgt. In den Bereichen in denen unsere aktiven Mitglieder verstärkt Präsenz gezeigt haben lagen die Wahlergebnisse der letzten Bundestagswahl über dem bundesweiten Durchschnitt, teilweise konnten wir in einigen Orten das zwei- oder dreifache erzielen.
 
Ich kann somit für mich sagen: Ich habe meine Aufgabe erfüllt.

Aber... auch wenn ich damit jetzt einem Troll vermutlich auf die Zehe trete (ich denke die betreffende Person weiß worauf ich hinaus will), so kann ich mir folgende Feststellung doch nicht verkneifen:
In den vergangenen sechs Jahren meiner Mitgliedschaft kann ich mich nicht daran erinnern, gegenüber meinen Mitpiraten ausfällig geworden zu sein, diese unfair behandelt, beschimpft, herabgewürdigt oder gar gemobbt zu haben. In all der Zeit wurde keine einzige Ordnungsmaßnahme gegen mich angestrengt, verhandelt oder verhängt. Es ist mir keine Beschwerde bekannt geworden, welche über mich bei einer anderen Gliederungsebene der Partei eingereicht worden wäre. Bislang wurde innerhalb meines Kreisverbandes kein Antrag auf Auflösung und Entmachtung des Vorstands aufgrund von Mobbing und Beleidigungen gestellt.

Ich wage deswegen die Behauptung aufzustellen daß meine Vorstandskollegen und ich in den letzten Jahren zumindest keinen allzu schlechten Job gemacht haben dürften. Im kommenden Januar wird sich unseren Mitglieder bei der nächsten Kreismitgliederversammlung die Gelegenheit bieten, unsere Leistung zu beurteilen. Diesem Urteil kann ich mich mit bestem Gewissen und erhobenem Haupt stellen.

Und um abschließend nochmals auf die "Schuldfrage" zurückzukommen:
Liegt diese grundsätzlich bei der Vorstandsebene, wenn im Wahlkampf nur ein Bruchteil der Mitglieder sich aktiv betätigt, weder an Infoständen teilnimmt noch Plakate aufhängt? Steht es nach dem Einfahren eines schlechten Ergebnisses dann ausgerechnet den passiven Mitglieder zu diejenigen dafür zu kritisieren, die nicht nur den Wahlkampf organisiert sondern zudem auch noch (mangels allgemeiner Beteiligung) fast im Alleingang bestritten haben?
 
Meine Meinung: wer im Wahlkampf sich der Mitarbweit verweigert, dem steht es nicht zu dafür die aktiven Mitglieder seiner Partei verantwortlich zu machen. Verantwortung trägt jedes Mitglied bei uns - für fehlerhaftes Verhalten ebenso wie für das eigene Nichtstun.
Insofern rate ich vor allem den lautstarken Kritikern zu einer gewissen Retrospektivität und dem Beleuchten des eigenen Anteils an unserem schlechten Abschneiden bei der zurückliegenden Bundestagswahl, anstatt jetzt mit dem Finger auf andere zu zeigen. Ich zumindest halte es so daß ich von anderen nichts fordere was ich nicht selbst zu leisten bereit bin. Und ehe ich jemanden anderen kritisiere stelle ich fest, ob sich nicht aus meinem eigenen Verhalten berechtigter Grund zur Kritik ergeben hat.

"Urteilende sollten bedenken, daß ein Urteil auch ein Urteil über den Urteilenden sein kann."

Willy Meurer