Eintrag vom 5. November 2017
Lange Pause in meinem Logbuch, weil ich anderweitig beschäftigt war - wie ja bereits angekündigt laufen bei uns die Aufarbeitungen
der Bundestagswahl. Während sich in Berlin die zukünftigen
Jamaicaner darüber den Kopf zerbrechen,
wie man die völlig unterschiedlichen politischen Positionen am besten zu einem gemeinsamen Regierungsprogramm
kombinieren oder die dem Wähler vollmundig
versprochenen Wohltaten wenigstens teilweise finanzieren
könnte haben wir uns auf den Mailinglisten und Diskussionsplattformen die Köpfe heißgeredet.
Ich will gleich eines vorwegschicken: Fertig sind wir noch nicht - wie bei
Jamaica wird es noch etwas dauern. Die Diskussionen werden
deswegen sicher auch beim anstehenden Landesparteitag in Hof am kommenden Wochenende fortgesetzt werden.
Allerdings haben sich, so wie ich das zumindest sehe, einige Knackpunkte bereits herauskristallisiert:
- Der Bundeswahlkampf lief an uns vorbei weil vor allem ein dominierendes
Thema die von uns behandelten Themen
maßgeblich aus dem Bewusstsein der Bürger verdrängt hat. In Kombination mit anderen
Aufregern kümmert sich niemand mehr
um die vergleichweise abstrakt wirkenden Gefahren der fortschreitenden
Überwachung da jeder
der festen Überzeugung ist, davon selbst nicht betroffen zu sein. Das die geforderten oder umgesetzten Maßnahmen mittlerweile
immer öfter zweckentfremdet und
zum Teil auch nachweislich
mißbraucht werden, wird
geflissentlich verdrängt.
Wie sollen wir nun am besten auf diese Situation reagieren? Während die einen auf die Ausweitung oder sogar die Umstellung unserer Themen für die
anstehenden Landtagswahlen 2018 drängen stehe ich auf der Seite derjenigen Piraten die weiterhin an unserer Fokussierung auf unsere Kernthemen
"Privatsphäre", "Grundrechte" und "Demokratie" festhalten wollen. Wer glaubt dass wir, nur weil wir auf einmal ein anderes politischen Profil vertreten
(und das auch noch auf einem Feld, welches von anderen Parteien zuletzt intensivst bestellt worden ist), dadurch mit einem Mal wieder mehr Wählerstimmen
sammeln können, unterliegt meiner Meinung nach einem Irrtum, und das Ergebnis der CSU, welche versucht hat die Positionen der AfD zu kopieren,
sollte uns hier eine Lehre sein.
- Die hohen Umfragewerte der Vergangenheit resultierten zu einem großen Anteil aus Protestwählern. Ich habe stets darauf hingewiesen daß
man auf diesen Stimmen keine Politik aufbauen kann weil diese Menschen nicht hinter unserem Programm oder unseren Parteizielen stehen, sondern durch ihre
Stimmabgabe nur den "großen" Parteien einen "Denkzettel" verpassen wollten.
Dieser Fall ist nun eingetreten, die Protestler sind
zu einem in ihren Augen effektiveren Quälgeist
weitergezogen, und das hat uns meinen Schätzungen nach im Vergleich zu 2013 zwischen fünf und zehn Prozent der Stimmen gekostet. Es gibt meiner
Meinung nach allerdings nichts was wir tun sollten um diese Wähler zu uns "zurück zu holen" - aus dem Grund weil die Piraten eben keine
Protestpartei sind, sondern im Gegenteil konstruktive Politik betreiben wollen. Ob es eine Möglichkeit gibt aus Protestwählern wieder "bewusste
Wähler" zu machen muß ich darüber hinaus aufgrund meiner an den Infoständen gesammelten Erfahrungen bezweifeln - es ist leider eher
so daß diese Menschen selbst nicht wissen was sie eigendlich wollen und sich stattdessen darauf konzentrieren halt einfach gegen alles und jeden zu sein.
Ich sehe deswegen hier keine Basis für stabile Stimmengewinne für unsere Partei.
- Allerdings kann das nicht als alleinige Erklärung für unseren Absturz herangezogen werden, denn unsere bisherige Stammwählerschaft betrug
zwischen einem und zwei Prozent. Unter dieser Marke sind wir zurückgeblieben und auch die bei der zurückliegenden Bundestagswahl leicht erhöhte
Wahlbeteiligung hat hier nur einen sehr geringen Einfluß gehabt. Wir haben also Kernwähler verloren. Warum?
Hier hängen uns die Skandälchen und Eskapaden ehemaliger Mitglieder und Vorstände nach. Dieses verlorene Vertrauen können wir zwar
wieder zurückgewinnen, allerdings geht das nicht von heute auf morgen. Im Gegenteil, wir werden doppelt und dreifach solange brauchen um den Schaden
zu reparieren wie es zuvor gedauert hat, ihn anzurichten. Da gibt es keinen "Reset-Knopf", da müssen wir durch. Aber wir können es
schaffen indem wir dem Bürger beweisen, daß wir es mit unseren Zielen und Forderungen ernst meinen und - egal wie unsere Chancen stehen - weiter
daran festhalten und dafür kämpfen.
- Was uns zu dem letzten Punkt bringt: die mangelnde Öffentlichkeitswahrnehmung. Viele Leute hatten uns Piraten als politisch engagierte Partei nicht mehr
auf ihrer Liste. Dies hängt unter anderem mit den zurückgegangenen Umfragewerten, dem Verlust der Sitze in den vier Landesparlamenten und dem
zurückliegenden internen Streit zusammen. Viele engagierte Mitglieder von 2013 sind ausgebrannt, haben sich in die Passivität geflüchtet
oder zum Teil komplett aus der politischen Arbeit zurückgezogen. Mit dem verminderten Stab an Aktiven konnten wir im Bundestagswahlkampf nur auf einen
Bruchteil der Recourcen zurückgreifen, die uns noch vor vier Jahren zur Verfügung standen.
Es ist aber nicht so daß wir keine Mitglieder mehr hätten - leider sind die verbliebenen Piraten oftmals nur passive Unterstützer, die sich nicht
auf die Straße trauen - entweder weil sie Angst haben, unserer Partei mit politischen Falschaussagen zu Schaden oder weil sie die damit verbundene
Arbeit des aktiven Engagements fürchten. Ich rede mir hier ja schon seit geraumer Zeit den Mund fusselig damit diese Leute den Mut finden sich vom
Bürostuhl zu erheben und nicht nur im Internet, sondern auch auf der Straße für unsere politischen Ziele einzustehen. Diese Anstrengungen
werden wir nochmals intensivieren müssen um wieder über genug Manpower verfügen zu können, damit unsere Botschaft auch an den interessierten
Bürger kommen kann.
Es ist nicht so daß uns die Menschen in Deutschland komplett ablehnen würden. Wir müssen es nur schaffen die Interessierten auch wieder besser zu
erreichen. Wie ich bereits berichtet hatte konnten wir an den vergangenen Infoständen viele gute Gespräche führen und haben sowohl von den
Bürgern wie auch sogar von den politischen Gegnern einiges an Lob für unsere Arbeit und unsere Ziele erhalten. Wer sich mit unserem Programm
auseinander gesetzt hatte, der äußerte sich uns gegenüber stets aufgeschlossen und interessiert. Das ist für mich ein Zeichen daß wir
auf dem richtigen Weg sind und daß es vor allem darauf ankommt, wieder mehr Aufmerksamkeit zu erhalten um weitere Menschen für uns zu gewinnen.
Sollen wir deswegen aber nun weitermachen wie zuvor? Nein, das wäre sicher der falsche Weg. Aber wir brauchen keine thematische Neuausrichtung unserer Partei
ins Auge zu fassen, denn wir haben mit unserem Programm zu allen relevanten Themen bereits
ausführlich und eindeutig Stellung bezogen. Unsere Spezialität sind die sachorientierten, faktenbasierten Aussagen, verbunden mit dem Alleinstellungsmerkmal
echter demokratischer und rechtsstaatlicher Politik. Wir sind die einzige Partei, welche sich der Wahrung unserer Grund- und Bürgerrechte verschrieben hat, ohne
die kein einziger anderweitiger politischer Punkt in unserem Land von Dauer sein kann. Wir sind in der Lage, auch zu schwierigen Fragen Antworten zu geben oder diese
ggf. zu erarbeiten - im Gegensatz zu vielen anderen Parteien.
Wir haben bei uns in Bayern nächstes Jahr Landtagswahl. Uns bietet sich hier die Chance mit intensiver politischer Arbeit wieder ein wenig Boden gutzumachen,
da die "Konkurrenz" an den Ergebnissen der vergangenen Bundestagswahl ebenfalls zu knabbern hat und sich der ehemalige "Platzhirsch" CSU
darüber hinaus mit Personalproblemen herumschlägt.
Ich hoffe deswegen das sich nun der ein oder andere aus der zweiten oder dritten Reihe traut nach vorne zu treten und sich, im Gegensatz zu den vergangenen Jahren,
auch selbst aktiv in die politische Arbeit und den Wahlkampf einzubringen. Denn auch wenn sich die Damen und Herren noch in Jamaica streiten, eines zeichnet sich
bereits wieder ab: besser für unser Land wird es auch in dieser Mehrfachkoalitionsvariante
definitiv
nicht werden!
Anfang kommenden Jahres finden, neben der anstehenden Kreismitgliederversammlung in unserem Kreisverband, auch die Aufstellungsversammlungen statt, die es nun
für uns zu organisieren gilt. Ich hoffe für alle Wahlkreise auf eine rege Beteiligung und viele fleißige, helfende Hände.
Mein Hut lieg bereits im Ring - wer wirft den nächsten dazu?