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Eintrag vom 10. Oktober 2017

So, ehe hier jemand auf den Gedanken kommt ich hätte angesichts des Ausgangs der Bundestagswahl ebenfalls bereits die Segel gestrichen will ich wieder hier ein digitales Lebenszeichen von mir geben. Die Wahlanalyse läuft auch bei uns Piraten derzeit auf vollen Touren, umso mehr als daß wir uns ja bereits in der Vorbereitungsphase zum nächsten Wahlkampf befinden: kommendes Jahr wird ein neuer Landtag bei uns in Bayern gewählt und so stecken wir bald wieder bis über die Ohren in Arbeit. Aber so ist es nun einmal, wenn man sich für eine Sache engagiert.

Worauf sicher der ein oder andere meiner Leser bereits "sehnsüchtig" gewartet haben dürfte sind ein paar Worte von mir zu unserem Wahlergebnis. Ich habe dazu bereits auf der Homepage unseres Kreisverbandes in ein paar kurzen Worten dazu Stellung genommen - parallel dazu ging diese Meldung auch an verschiedene Zeitungsverlage heraus, ist aber erwartungsgemäß nicht weiter abgedruckt worden.
Im Bundesdurchschnitt lag die Piratenpartei bei der aktuellen Bundestagswahl bei 0,4 Prozent, in Augsburg konnten wir immerhin 0,6 Prozent erreichen. Sagen wir es in ehrlichen Worten: katastrophal. Wenn die CSU sich von ihrem Abschneiden bereits schockiert zeigt, dann würde Herr Seehofer mit unserem Ergebnis vermutlich sofort Asyl in Ungarn beantragen.

Was uns von den bayerischen "Christsozialen" allerdings unterscheidet ist: wir schwenken nicht nach Steuerbord in national-populistisches Fahrwasser ein. Auch wenn ein solches Abrutschen nicht auf meiner Liste gestanden hat, so war abzusehen daß im Angesicht der teilweise hochpanisch geführten Asyldebatte unsere sachorientierten Themen wie "Bürgerrechte" oder "politische Transparenz" kaum beachtet werden würden. Man kann uns nun vorwerfen hier nicht "reagiert" und ebenfalls diese Themenfelder intensiv genug beackert zu haben - dennoch halte ich es für die richtige Entscheidung, denn einerseits wären wir nur eine leise Stimme im Chor des allgemeinen Panikorchesters gewesen und zum anderen dominierten Fakenews und plumpe Propaganda diese Diskussionen. Wo sollte da noch Platz für klare Fakten von den Piraten gewesen sein?

Im nun anstehenden Wahlkampf in Bayern werden wir allerdings uns auch dem Thema "Asyl und Flüchtlinge" intensiv zuwenden müssen. Es wird das Thema sein, vor allem für die CSU, denn ihr droht der Absturz in die politische zweite Liga. So wie der FC Bayern seinen Trainer bereits im Handstreich ersetzt hat, so fordern immer mehr CSUler mittlerweile den Kopf den Rücktritt ihres noch amtierenden Parteivorsitzenden. Für den Horst geht es jetzt um alles. Er muß seiner Partei wieder Erfolge präsentieren.
Das versucht er, wie ich bereits in meiner Wahlabendkommentierung vermutet habe, über einen radikalen Rechtsruck sicherzustellen. Allerdings haben sie gegen die AfD hier deutlich schlechtere Karten. Nicht umsonst hat Herr Seehofer bei den Vorkoalitionsgesprächen mit Frau Merkel Anfang dieser Woche so um seine "Obergrenze" gekämpft - und im Endeffekt verloren, auch wenn er sich beeilte festzustellen daß es ihm nicht auf die Wortwahl, sondern vielmehr auf den "Inhalt" dieser Vereinbarung angekommen sei.
Die sieht nun so aus dass in einer eher unverbindlich gehaltenen Absichtserklärung der "Schwesterparteien" Asyl und Migration zusammenhangslos miteinander vermischt werden. Maximal 200.000 Menschen sollen nun pro Jahr nach Deutschland kommen dürfen, was Flüchtlinge, regelkonforme Einwanderer und Familiennachzug mit einschließt, wohingegen aber "abgeschobene" Asylbewerber wieder gegengerechnet werden dürfen. Kurz: es wird Rechenspielchen geben und am Ende trickst man notfalls es so hin, dass die CSU ihr Gesicht wahren kann und dennoch die gesetzliche Verpflichtung zur Gewährung von Schutz vor Verfolgung beachtet wird. Das Affentheater ist also, wie so vieles der Koalitionsarbeit in den vergangenen Legislaturperioden, nur eine Mogelpackung.
Nun, die Wähler der AfD wird er mit diesem Konstrukt sicherlich nicht sonderlich beeindrucken können, denn die haben noch weit darüber hinaus gehende Vorstellungen. Und in den nun anstehenden Koalitionsverhandlungen für eine Jamaika-Regierung wird es voraussichtlich Proteste von Seiten der GRÜNEN geben - obwohl, vielleicht einigt man sich ja am Ende doch noch...

Nun, wie gesagt, die Landtagswahl ist für die CSU ohnehin wesentlich wichtiger, weil Bayern ja seit jeher ihr "Stammland" ist. Hier kämpft sie ja massiv mit den Erfolgen der AfD. Nicht umsonst hat sie deswegen in den letzten zwei Wochen immer wieder den Kurs von Bundeskanzlerin Merkel blosgestellt und wie der ein oder andere Länderkollege im Bund auch eine Profilschärfung angemahnt. Mit seiner Obergrenze Absichtserklärung hatte Herr Seehofer deswegen auch die Schaffung von Flüchtlingslagern "Migrationszentren" gefordert. Tja, von Staaten wie Libyen kann man viel lernen... da kann man ja wirklich froh sein das Dachau so weit von der Grenze entfernt ist.

Was ich mich immer frage: woher kommt nur diese Angst bei den konservativen Politikern und ihren Wählern? Gehen die nicht ab und zu auch mal zum Italiener in die Eisdiele, holen die sich nie einen türkischen Döner? Haben nicht schon Spanier und Italiener den FC Bayern trainiert - mal abgesehen davon dass dieser Verein gerade für ausländische Spieler jedes Jahr mehrere Millionen Euro hinblättert?
Vielleicht glauben die Damen und Herren der CSU ja tatsächlich mittlerweile selbst die ganzen Märchen, mit denen sie ihre Wähler ängstigen und dadurch zur Stimmabgabe bewegen wollten? Frau Aigner hat erst kürzlich die alten Fakenews der AfD von den 7 Millionen Familiennachzüglern der hier anerkannten Asylbewerber wiederholt, konnte aber immer noch nicht diese Zahlen belegen. CSU-Generalsekretär Scheuer begrüsst das seit einigen Tagen in Österreich in Kraft getretene "Burkaverbot", das allerdings - mangels Burkaträgerinnen - bislang nur zu polizeilichen Ermahnungen von Aktionskünstlern und schaltragenden Fahrradfahrern geführt hat, da auch dies unter den entsprechenden Paragraphen fällt.
Fest steht: aus Sicht der Terroristen funktionieren unsere Politiker wie gewünscht. Und sie stecken mit ihrer Hysterie gleich noch ihr ganzes "Volk" an.

Die politisch beabsichtigt geschürte Panik droht, unsere Bevölkerung zu spalten, Vorurteile zu sähen und zu bestätigen. Aber es droht auch eine Spaltung in Leute, die blindlings dieser billigen Propaganda nachlaufen und in Leute, welche diese Aussagen kritisch hinterfragen und (vielleicht aus aus persönlichen Erfahrungen, in direktem Umgang mit Flüchtlingen gesammelt) als aufgepuschten Blödsinn entlarven. Das diese Linie, (die hier zwischen uns Bürger gezogen wird, nicht zum Vorteil unserer Gesellschaft sein wird, kann wohl jeder sehende Mensch erkennen.

Wir Piraten werden uns deshalb im Landtagswahlkampf stärker positionieren und herausstellen, daß ein Rechtsstaat auch das Menschenrecht auf Asyl achten muss. Daß Integration nicht bedeutet dass Einwanderer blindlings unsere Bräuche übernehmen müssen, sondern dass wir sie mit ihren Traditionen ebenso offen akzeptieren, wenn diese nicht gegen unsere Verfassung und unsere Gesetze verstoßen (und, so seltsam sie uns auch manchmal erscheinen mögen, tun sie dies nämlich in den allermeisten Fällen eben nicht!).

Unsere Chancen stehen nicht besonders gut, damit gehört zu werden. Zu laut sind die Schreihälse, Panikschürer und Propagandaplärrer.
Aber wenn es sonst keiner macht, werden wir eben diese Aufgabe übernehmen.

"Die ärgerlichste Kritik besteht in der Nennung von Fakten."

Michael Richter