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Eintrag vom 4. März 2013

Das der gebetsmühlenartig beschworene Fachkräftemangel nur ein Gespinst aus heißer Luft ist, kann man nach einem Blick hinter die Kulissen recht bald erkennen. Nichtsdestotrotz wurden die Einkommengrenzen für ausländische Fachkräfte erneut gesenkt - auf ein Niveau, das mittlerweile nicht mehr allzuweit vom Einstiegsgehalt eines Universitätsabgängers entfernt liegt. Logisch, dient der erhoffte Zuzug ja nicht dazu, einen tatsächlichen Mangel an Fachleuten auszugleichen, sondern das vorhandene Lohndumping zu unterstützen.
Aus diesem Grund wurden die in Frage kommenden Berufsgruppen auch auf Bereiche ausserhalb der akademischen Ausbildungen ausgedehnt, in denen uns die (billigen) Arbeitskräfte ausgehen, vor allem in den Pflegeberufen, die ein Höchstmaß an körperlicher und emotionaler Ausdauer bei gleichzeitig möglichst niedrigem Einkommen voraussetzen. Auch wenn der Zustrom an Bufdis die Erwartungen noch übertrifft (hauptsächlich, weil sich dadurch ein paar Armutsrenter ein zusätzliches Taschengeld verdienen können), will man sich von dieser schwer kalkulierbaren Größe im Pflegesektor doch nicht abhängig machen - auch wenn man im Notfall einfach die Wehrpflicht (und damit auch den Zivildienst) wieder einführen könnte.
Nein, Deutschland soll durch die Initiative für Arbeitskräfte attraktiv gemacht werden, die im Ausland noch weniger als in unserem Land verdienen würden. Diese neuen "Gastarbeiter", so wird spekuliert, kommen dann zum Arbeiten hierher und verschwinden (hoffentlich) anschließend mit der höheren Kaufkraft zurück in ihr Heimatland, ohne die deutschen Renten- und Krankenkassen zu belasten.

Geht es noch zynischer? Aber sicher doch! Zum Beispiel, indem man diese Menschen zur Installation erweiterter Überwachungsmaßnahmen mißbraucht:
Wer künftig in die EU einreisen will, soll dazu nach dem Willen der Kommission seine sämtlichen Fingerabdrücke abgeben sowie seine genauen Ein- und Ausreiseinformationen in einer Datenbank hinterlegen lassen. Anders sei,, so die bedauernde Ausrede, der enorme Grenzverkehr in der EU nicht mehr zu bewerkstelligen. Wenn die Opfer Reisenden zusätzlich noch ein 3D-Modell ihres Gesichts anfertigen, ihren Iris-Scan hinterlegen und sich elektronische Reisedokumente ausstellen lassen würden, könnten sie eventuell in naher Zukunft sogar auf ein beschleunigtes Verfahren mit Hilfe spezieller Sicherheitsschleusen hoffen dürfen.
Ausserdem wolle man, so die offizielle Begründung, damit illegale Einwanderer frühzeitig erkennen und abfangen können. Das System kann somit als ein weiterer Baustein in der allgemeinen Ausweitung von Kontrollmaßnahmen der EU verstanden werden.

Ein Konzept, das rechtlich auf äußerst wackeligen Füßen steht und darüber hinaus sogar in den von der EU selbst angefertigten Folgeabschätzungen von erheblichen negativen Auswirkungen auf die Grundrechte ausgeht. Aber mal ehrlich: Hat das irgendjemand in der EU-Kommission jemals von der Umsetzung eines Vorhabens abgehalten? Ich meine, wir leben hier doch nicht in einer Demokratie, oder?

Die Europäische Union, die sich bei ihrer Grundsteinlegung so hochoffiziell auf die Fahnen geschrieben hat, die Gedanken von Freiheit, Demokratie und Freizügigkeit zu leben, entwickelt sich schrittweise immer mehr zu einem politischen Konstrukt, welches sich am ehesten mit dem Namen EUdSSR bezeichnen lässt. Was nutzt die Freizügigkeit des Reisens, wenn diese ausschließich für ein eingegrenztes Gebiet dieser Welt gilt? Legt man diese Maßstäbe an, dann gab es auch in der Sowjetunion Reisefreiheit - bis an die Grenzen des Staatsgebiets natürlich...

Illegale Einwanderer passieren in der Regel keine überwachten Grenzpunkte. Mit diesen Zwangsmaßnahmen kann man sie also genauso wenig fangen wie man Terroristen mit der Datenvorratsspeicherung oder durch den Einsatz von Überwachungskameras an der Verübung von Selbstmordattentaten hindern könnte. Was hier errichtet werden soll, ist nichts anderes als ein neuer Mauerbau gegen die sogenannte Einwandererarmut - aber es soll jetzt bitte niemand denken, dass wäre so beabsichtigt...!

Aber halt, was ist eigendlich mit dem innereuropäischen- bzw. innerdeutschen Reiseverkehr? Keine Bange, daran haben die Damen und Herren doch längst gedacht! Innerhalb der EU gilt zwar das Schengener Abkommen, das allen Bürgern die Reisefreiheit ohne Grenzkontrollen ermöglicht (und neben der Einführung einer gemeinsamen Währung einmal das Hauptargument für die europäische Union war), aber das bedeutet ja nicht, dass man daran nichts mehr ändern könnte - dank maßgeblicher Beteiligung unseres Sicherheitsministers Bundesinnenministers. Schon heute wird jeder Fluggast (und vielleicht auch schon bald jeder Bahnreisende?) in Datenbanken erfasst.
Und innerhalb Deutschlands haben wir ja zum Glück unser Meldegesetz, ein wahrlich historisches Stück Zeitgeschichte, mit dessen Hilfe die genaue Erfassung von allen Einwohnern Deutschlands gewährleistet wird. Wer wo wann in eine Wohnung ein- oder auszieht, sich in einem Hotel ein- oder auscheckt - das alles ist dokumentiert. Für die Wege dazwischen gibt es ja die Standorterfassung per Mobiltelefon. Und damit uns keiner entwischen kann, führen wir alle paar Jahre eine Volkszählung durch - dann haben wir, dank biometrischen Ausweisdokumenten und einer lebenslange geltenden Steuernummer, auch den letzten Bürger gerastert und erfasst. Und das alles bitteschön am besten noch zusammengefasst und zentral abrufbar.

Na, fühlen sich jetzt alle sicher?
Also, ich mich irgendwie nicht. Und damit stehe ich (zum Glück!) nicht alleine da. Es ist also Zeit, sich gegen diese Vorhaben, die eher in ein diktatorisches Regime passen als in eine Demokratie, zu wehren!

Einen ersten Teilerfolg haben wir ja bereits erzielen können. Das in weniger als einer Minute im Bundestag beschlossene Meldegesetz musste wegen der massiven Proteste im Bundesrat gestoppt und überarbeitet werden. Der nun verabschiedete Gesetzestext nimmt den damals in letzter Minute eingefügten Passus zurück, nach dem die Meldeämter die Daten der Bürger zu Werbezwecken verkaufen durften, sofern kein Widerspruch des jeweiligen Bürgers dokumentiert war - ein lukratives Geschäft für finanziell klamme Kommunen. Nun muss die Einwilligung des betroffenen Bürgers vorliegen, ehe die Daten an Dritte weitergegeben werden dürfen.

Sicherlich ist das nur ein kleiner Schritt auf einem langen Weg in die richtige Richtung, denn das Meldesystem in Deutschland gehört meiner Meinung nach grundlegend auf den Prüfstand - vor allem die Protokollierung der Aufenthaltsorte der Bürger gehört abgeschafft.

Was die "Grenzsicherung" auf europäischer Ebene betrifft, so muß dieses Vorhaben umgehend gestoppt werden. Wobei ich mich langsam zu fragen beginne, ob wir in ein paar Jahren noch ein gemeinsames Europa haben werden. Durch die anhaltenden Turbulenzen des Euros und den zunehmend nationalistischen Tendenzen einzelner Staaten sehe ich das Konstrukt der Europäischen Union kurz vor dem Zerfall.
Ich muß gestehen, dass ich über ein Ende dieses künstlichen Staatengebildes nicht unbedingt traurig bin. Von Anfang an wurde die EU als eine erweiterte Handelszone mit einer gemeinsamen Währung gesehen und aufgebaut. Der oftmals beschworene "gesamteuropäische" Ansatz, das gemeinsame Denken und Handeln auf Grundlage von Freiheit und Demokratie spielte bei der Gründung leider nur eine untergeordnete Rolle und wurden pro Forma mit aufgenommen, um die Bürger der Staaten, welche über einen Beitritt selbst entscheiden durften, von der Idee überzeugen zu können. Der Geist eines gemeinsamen Europas wurde jedoch nie wirklich gelebt. Somit war dieses auf Wirtschaftsinteressen gegründete "Experiment" von Beginn an zum Scheitern verurteilt.

Ich sehe dieses sich abzeichnende Ende jedoch als eine Chance für einen Neuanfang. Denn wenn sich die europäischen Staaten aus freiem Entschluß zusammentun, auf demokratischer Basis eine gemeinsame, vom Volk gewählte Regierung bestimmen und sich nicht nur wirtschaftlichen Zielen, sondern der Freiheit verpflichtet fühlen, dann könnte in Europa etwas wirklich Großartiges entstehen.
Ein gemeinsames Europa muß auf Toleranz und echter Demokratie gegründet sein, um bestehen zu können. Freiheit muß Vorrang vor (hysterisch aufgebauschtem) Sicherheitsstreben haben. Gleichheit muß keine Gleichmacherei bedeuten. Die Entscheidungen der Bürger müssen die Vorgaben der Bürokraten ablösen. Das Wohl der Bürger muß ausschlaggebend sein, nicht das Wohl von Unternehmen und Wirtschaftsverbänden.
Dann hätten wir ein Europa, das für uns alle eine Heimat sein könnte. Ein solches Europa zu schaffen wäre für uns eine Aufgabe zu beweisen, dass wir alte Resentiments und Vorurteile hinter uns lassen und Visionen für eine bessere Zukunft in die Tat umsetzen können.

Angesichts unserer derzeitigen Verfassung fürchte ich jedoch, dass wir noch nicht die dafür notwendige Reife erlangt haben. Wir bräuchten dazu nämlich Politiker, die sich nicht nur als Staatsmänner begreifen, sondern sich ihren Wählern verpflichtet fühlen, und Bürger, die sich nicht als Staatsangehörige, sondern als Weltbürger begreifen und die Entwicklung (auch politisch) aktiv mitgestalten wollen. Soweit sind viele Menschen in Europa jedoch leider noch nicht.

Ich würde mich aber sehr freuen, hier eines besseren belehrt zu werden.

"Nicht ein Europa der Mauern kann sich über Grenzen hinweg versöhnen, sondern ein Kontinent, der seinen Grenzen das Trennende nimmt."

Richard von Weizsäcker