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Rechtliches & Impressum

Eintrag vom 28. Februar 2013

Immer, wenn ich ansetzen und etwas zum Leistungsschutzrecht schreiben wollte, konnte ich sicher sein, das innerhalb der nächsten 5 Minuten die nächste Sau durchs Dorf getrieben Forderung erhoben wurde. Da sich das unwürdige Theater nun aber langsam seinem sprichwörtlichen Ende zuzuneigen scheint, will ich mich jetzt doch wieder an einen Versuch wagen, meine "Gefühle" für diesen Irrsinn in Worte zu fassen.

Wir erinnern uns: Das Leistungsschutzrecht sollte auf Druck Wunsch der springerhaften, burdaesken Presseverlage durchgepeitscht beschlossen werden, denen - ähnlich einem aussterbenden Dinosaurier - langsam die Erkenntnis gereift war, dass sie den Anschluss verloren hatten, nämlich an dieses komische Ding namens "Internet".
Sie merkten plötzlich, dass die Leute keine Lust hatten, ihre "Qualitätsarbeit" (ja, es macht Arbeit Strg-C und Strg-V zu drücken, um den Text einer dpa-Meldung in das Layout einer Zeitung einzufügen) zu kaufen, um ihren Einkauf auf dem Fischmarkt darin einzuwickeln. Die Menschen sparten sich die Mühe, die gleiche uninteressante Nachricht in zwanzig verschiedenen Zeitungen in identischem Wortlaut zu lesen, sondern überflogen zuerst im Internet die Überschriften, ehe sie auf den Link klickten und den gesamten Nachrichtentext lasen.
Die Verlage merkten plötzlich, dass sie obsolet geworden waren und sich wohl bald, zusammen mit Kohleheizern und Gaslaternenanzündern, im Deutschen Museum wiederfinden würden. Die Einnahmen brachen ein und so begannen sie, mit gierendem Augen auf die Konkurrenz zu schielen: auf die News-Aggregatoren und Suchmaschinen. Und sie folgerten, dass da doch was zu holen sein müsste.

Der grösste (und damit vielversprechendste) Brocken war Google. Und so begann das große Klagen der Lobbyisten in Berlin, dass sich der Suchmaschinenbetrieber eine goldene Nase verdienen würde, indem er auf die Webseiten der Verlage verlinken und deren Produkte damit "stehlen" würde. Die "Lex Google" war geboren.
Allerdings wurden die Geburtsfehler unterschätzt. Um ähnliche Peinlichkeiten in Deutschland zu vermeiden (vor allem, da Google bereit war, zurückzuschiessen), wurden die Forderungen auf sämtliche, auch kleinste Bestandteile von Pressemitteilungen erweitert, so dass - bei strenger Rechtsauslegung - die gesamte deutsche Sprache "patentwürdig" werden sollte - nun war nicht mehr Google allein der Böse, sondern Blogger, Aggregatoren, Zitierende - kurz gesagt, ganz demokratisch: wir alle.

Pech gehabt: wir haben uns auch dagegen gewehrt. Und zwar so massiv, dass das Gesetzesvorhaben immer und immer weiter verwässert wurde, um es noch in irgendeiner Art und Weise rechtfertigen zu können. Und so wurde schließlich der aktuelle Kompromiss ausgearbeitet. Im Gegensatz zum ursprünglichen Entwurf sieht dieser vor, dass auch zu "gewerblichen" Zwecken Snippets zitiert und Links zu Pressenachrichten gesetzt werden dürfen, ohne vorab Strafzölle zu bezahlen dies lizensieren zu lassen.

Die Presseverlage musste diesen Kröte notgedrungen schlucken, nachdem ihre vorangegangene Argumentation, sich nicht anders gegen dieses "geistige Raubrittertum" wehren zu können, fachgerecht auseinander genommen worden war. Denn die Verlage könnten durchaus ihre Webseiten hinter einer Paywall verstecken - aber dann würden die Leute nicht mehr darauf zugreifen und wertvolle Werbeeinnahmen wegbrechen. Sie hätten die Aufnahme in den Suchindex von Google auch mit einfacher Meta Tags im Quellcode ihrer Webseiten verhindern können - aber dann würden die Leute von den Suchmaschinen nicht mehr auf ihre Publikationen (kostenlos!) aufmerksam gemacht werden. Und das sich bei einer Offline-Kopie die Verlage des schon bestehenden Urheberrechts hätten bedienen können, war so glasklar, dass sie es selber lieber gar nicht erst erwähnt hatten.

Was macht man nun aber mit einem Leistungsschutzrecht, dass in der ausgehandelten diskutierten Form eigendlich gar nichts mehr schützt? Bräuchte man dieses Gesetz denn dann gar nicht erst zu beschliessen?
Ehe wir hier jetzt das Fass aufmachen und mit der Feier beginnen: die Sache ist noch lange nicht ausgestanden. Denn natürlich kann es sich die Regierung - schon gar nicht so kurz vor den anstehenden Wahlen - nicht leisten, die Lobbyisten der Verlage zu vergrätzen. Man stelle sich vor, was passieren würde, wenn auf Seite 1 plötzlich nicht mehr der offizielle Bericht gedruckt werden würde, sondern die Wahrheit...

Deshalb wird, ja muss das Leistungsschutzrecht kommen. Und in der aktuellen Fassung wird es tatsächlich zu etwas nütze sein - nämlich zur Abschreckung und (wie auch schon im Textlaut vorangegangener Versionen enthalten) zur Erschließung anderer Einnnahmequellen. In bewährter Manier strotzt der Gesetzestext nur so von beliebig dehnbaren Formulierungen und Gummi-Paragraphen, so dass sich - ähnlich wie im Fall der Musik- und Filmbranche - in kurzer Zeit Heerscharen von Abmahnanwälten mit standardisierten Schreiben auf die Netzwelt stürzen werden. In harrschem Ton mit hohen Strafzahlungen konfrontiert, beschliessen die meisten Menschen nämlich, "Gebühren" zu zahlen, auch wenn sie sich nichts zu Schulden haben kommen lassen - andernfalls stünde ihnen womöglich ein langwieriger, kostenintensiver Prozess mit ungewissem Ausgang ins Haus, in welchem sie ihre eigene Unschuld selber beweisen müssten.

Wer also auch morgen noch die Wahl haben will, auf welche Weise er auf welche Art von Informationen zugreifen oder über welche Themen er sich in seinem Blog auslassen möchte, der sollte sich jetzt nicht in seinem Sessel zurücklehnen. Es gibt noch viel zu tun.
 

Update vom 2. März 2013:
Erwartungsgemäß wurde das Leistungsschutzrecht gestern beschlossen. Dabei hätte es wohl durchaus die Möglichkeit gegeben, den Beschluss zu verhindern, was jedoch aufgrund "interner" Vereinbarungen nicht zustande kam. Wir haben da wirklich feine Demokraten im Bundestag sitzen, kann ich nur sagen!
Eine gute Zusammenfassung des neuen Ist-Zustands hat Rechtsanwalt Stadler veröffentlicht. Wie es jetzt weitergehen wird, ist auch schon abzusehen. Na, da werden die Damen und Herren vom Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger die Korken knallen lassen können. Pech nur, dass ihr ab sofort keinen einzigen Fetzen Papier mehr an mich verkaufen werdet.

"Ihr jubelt über die Macht der Presse - graut euch nie vor ihrer Tyrannei?"

Marie von Ebner-Eschenbach